Weihnachten zum Mitnehmen! – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

Aus dem Evangelium nach Matthäus , Kapitel 10
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
17 Nehmt euch aber vor den Menschen in Acht! Denn sie werden euch vor die Gerichte bringen und in ihren Synagogen auspeitschen.
18 Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt, damit ihr vor ihnen und den Heiden Zeugnis ablegt.
19 Wenn man euch vor Gericht stellt, macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt.
20 Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden.
21 Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder, und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken.
22 Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.

Autorin:
Bild_Lerke1Maria Lerke, Pastoralreferentin, Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Weihnachten zum Mitnehmen!

Liebe Leserin, lieber Leser,
Coffee to go – oder auf Deutsch – Kaffee für unterwegs – das ist es, was zur Zeit richtig „in“ ist! Geschäftig umherlaufen, mit dem Kaffeebecher in der Hand, sieht schick aus, lässt sich bequem morgens in die S-Bahn mitnehmen – wer hat denn noch Zeit und frühstückt zu Hause? Da gab es in der Adventszeit im Radio einen Bericht von einem Museum, das die schrägsten Weihnachtsartikel sammelt. Einer davon nennt sich doch tatsächlich: „Weihnachten to go“ – Weihnachten für unterwegs, Weihnachten zum Mitnehmen. Es handelt sich dabei um kleine Christbäume aus Plastik. Die können in die Hosentasche gesteckt werden. Immer, wenn einem danach ist, kann man diesen herausziehen, vor sich hinstellen und Ruck-Zuck ist man wieder weihnachtlich gestimmt.

Weihnachten to go, was für eine tolle Idee! Vor allem wir Hauptamtlichen wünschen uns das doch, dass die Leute wenigstens ein bisschen was von Weihnachten in ihren Alltag hinüber retten könnten.

„Weihnachtliche Stimmung“ – was ist das überhaupt? Festlich geschmückte Häuser, Lichterketten, Punsch, nostalgische Erinnerungen, Familientraditionen? Schauen wir auf die Zeugnisse in den Evangelien, dann ist die Stimmung zu Jesu Geburt alles andere als „weihnachtlich“. Wir begegnen da Menschen in ganz anderen Umständen, ohne Dach über dem Kopf, abgewiesen, ausgewiesen in einen Stall, nur Tiere sind da, später ein paar Hirten, dann noch ein paar seltsame Menschen aus der Fremde. Die Engel haben zwar was von Frieden gesungen – aber wer hat das damals schon glauben können – wie soll ein hilfloses kleines Kind in diese von Römern besetzte Welt Rettung und Heil bringen? Da muss man schon sehr viel Gottvertrauen haben. Nicht einmal Maria, die Mutter, hat das gleich geschafft – sie hat all diese schwer verständlichen Zeichen und Botschaften Gottes erst mal „in ihrem Herzen bewahrt“, heißt es ja.

Auch später, als Jesus herangewachsen war und öffentlich auftrat, spürten nur wenige etwas von einer weihnachtlichen Stimmung. Klar, Jesus hat geheilt, er hat sich für viele als Retter erwiesen, hat durch seine Botschaft Menschen befreit und etliche glaubten, dass mit ihm das Reich Gottes angebrochen war. Aber Jesus war für manche halt viel zu „lasch“, er hat auf Freiwilligkeit gesetzt und niemandem seine Botschaft aufgezwungen. Als die Stimmung am Karfreitag dann völlig kippte, haben nur noch wenige zu ihm gehalten. Ein König, mit einer Dornenkrone, zum schändlichsten Kreuzestod verurteilt, völlig ohne Macht – wer kann das noch mit Gott in Verbindung bringen?

Spätestens da spürten viele, was Jesus damit gemeint hatte: „Ich schicke euch wie Schafe unter die Wölfe“ – aus mit der weihnachtlichen Krippenstimmung, wo „die Schäfle“ noch liebevoll von ihren Hirten beschützt und getragen werden. Jetzt hängt er da, verspottet, verachtet, geschlachtet wie ein unschuldiges Opferlamm.

War die Menschwerdung Gottes am Ende doch nur ein frommer Wunsch von ein paar gutgläubigen, armen Außenseitern? Nicht nur Jesus schien gescheitert zu sein; viele Gläubige wurden und werden auch heute noch eingesperrt, gefoltert oder sogar getötet. Einer der ersten „Blutzeugen“ war Stephanus. Wie Jesus musste auch er am eigenen Leib erfahren, was Menschen aus Hass und Neid anderen Menschen antun können.

Stephanus war einer der sieben Diakone in der Jerusalemer Urgemeinde. Er wurde von den Aposteln eingesetzt zum Dienst an den Tischen, das heißt, um die Caritas, die christliche Nächstenliebe zu organisieren und durchzuführen. Da er sehr gut reden konnte, war er zusätzlich zum Dienst der Verkündigung beauftragt. So ging er in die Synagoge und verkündete nach der Schriftlesung, dass Jesus der Messias, der lang erwartete Retter war und ist. Das hat bei den Zuhörern zu einem großen Protest geführt. Sie klagten ihn vor dem Hohen Rat an und behaupteten, er habe gegen das Gesetz des Mose, gegen die Tora und gegen den Tempel gesprochen. Stephanus hielt daraufhin eine leidenschaftliche Verteidigungsrede, die im 6. und 7. Kapitel der Apostelgeschichte steht. Stephanus nimmt hier kein Blatt vor den Mund, nennt das Volk Gottes „halsstarrig“ und wirft den Zuhörern vor, Verräter und Mörder von Jesus zu sein. Das hat seine Gegner dann vollends gegen ihn aufgebracht. Als er dem Hohen Rat auf den Kopf zusagte, dass es sich beim Kreuzestod von Jesus um einen Justizmord gehandelt habe und sie das als gläubige Menschen gewusst haben müssten, da mussten sie ihn zum Schweigen bringen.

Stephanus beendete seine Rede in der Lesung aus der Apostelgeschichte mit einer Vision: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes sitzen“. Er schaute die Herrlichkeit Gottes und das löste dann diesen gewaltigen Sturm der Entrüstung aus. Sie trieben Stephanus zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Wie Jesus bittet auch er noch um Vergebung für seine Mörder. Stephanus ist bis zum Ende standhaft geblieben. Er war einer der ersten Märtyrer.
Warum die Kirche ausgerechnet den zweiten Weihnachtstag für seinen Gedenktag ausgesucht hat – das fand ich als Kind immer unmöglich! Die Kirche meiner Heimatstadt ist dem Hl. Stephanus geweiht, und so wurde an diesem Tag auch immer festlich das Patrozinium gefeiert, natürlich immer mit dieser furchtbaren Lesung, die einen so jäh aus der harmonischen und friedlichen Weihnachtsstimmung heraus reißt.

Allzu schnell werden wir wieder auf den harten Boden der Tatsachen gestoßen – hinein in die Welt, wo Menschen ausgegrenzt, verfolgt, terrorisiert oder sogar getötet werden, nur – weil sie für ihre Überzeugung einstehen. Heute spüre ich immer mehr, wie wichtig es ist, dass beides hintereinander gefeiert wird. Wir brauchen das eine, um im anderen standhalten zu können. Wir brauchen die Zusage von Weihnachten, wir brauchen die Zusage, dass Gottes Liebe zu uns Hand und Fuß bekommen hat, wir brauchen die Hoffnung, dass Gott seither auf einzigartige Weise unter uns lebt, mit uns leidet und mit uns liebt. Wir brauchen die Geborgenheit in Gott und die Sicherheit unseres Glaubens, um Boten der Liebe Gottes bleiben zu können.

Gott sei Dank ist es in unserem Land nicht lebensgefährlich, sich zu Christus zu bekennen, aber es braucht viel Mut, um sich gegen den immer stärker werdenden Gegenwind des Zeitgeistes zu stellen. Doch auch dafür hat Jesus vorgesorgt. Wir brauchen uns keine Sorgen darum machen, was wir reden sollen, der Heilige Geist wird durch uns reden. Wenn wir glauben können, dass an Weihnachten Gott seine Tür weit aufgemacht hat, dass er durch die Geburt seines Sohnes den Himmel für uns geöffnet hat, dann gilt das nicht nur für diesen einen Tag, dann gilt das noch weit über Weihnachten hinaus!

Wenn wir wie Stephanus glauben können, dass der Himmel offen ist, dass Jesus auch heute auf der „rechten“ Seite steht, dann gelingt es uns vielleicht, etwas von Weihnachten mit hinein zu nehmen, in die vielen Dunkelheiten, in die vielen Ungereimtheiten, in die große Angst, in das viele Fragwürdige und Schwere in unserem Leben. Ich sehe den Himmel offen, auch wenn es manchmal ganz heftig nebelig und grau um mich ist! Auch wenn ich die Wege und Pläne dieses Gottes so oft nicht verstehe – er ist da, mitten unter uns, und wenn die Hütte noch so armselig ist. Dass wir das in unseren Herzen bewahren können, das wünsche ich uns allen. Dann haben wir „Weihnachten to go!“ auch wenn wir keine Christbäume aus Plastik in den Hosentaschen tragen. AMEN

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