Begegnung voller Hoffnung – 4. Adventssonntag C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1
39 Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Begegnung voller Hoffnung

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Begegnung von Maria und Elisabeth ist eine ganz besondere und hat viele Facetten. Eine davon ist, dass beide Frauen bereichert und bestärkt aus der Begegnung weitergehen. Das hat mich an eine Begegnungsgeschichte erinnert, die ich gerne mit ihnen teilen möchte.

Ein guter Freund von uns war in Peru in der Entwicklungszusammenarbeit als Missionar tätig. Seine Aufgabe, ja ich möchte sagen, seine Berufung war die Gefängnispastoral. In der Haftanstalt von Huancayo, Peru, arbeitete er in einem großen Team von etwa 30 Personen, die sich gemeinsam um die Belange der Gefangenen kümmerten. In einem Land, in dem der Rechtstaat nicht zuverlässig funktioniert, warten Menschen oft jahrelang auf einen Prozess, sind Leute in U-Haft und Verurteilte miteinander eingesperrt, reicht die Versorgung mit Lebensmitteln nicht aus, um nicht zu hungern. Wer nicht arbeitet, hat kein Geld und kann kein Essen kaufen und ist dringend auf die Unterstützung der Familie „draußen“ angewiesen. Immer wieder werden Prozesse verschleppt und so mancher Richter und Anwalt ist anfällig für Korruption und damit verbunden „gefällige“ Urteile. In dieser Situation leistet die Gefängnispastoral einen wichtigen Dienst für die Menschen, die der Willkür oft hilflos ausgeliefert sind. Gespräche, Kontakt zu Angehörigen, gemeinsame Gottesdienste, seelsorgerliche Unterstützung, handwerkliche Projekte, um Geld zu verdienen – das sind die Stichworte, die für diese Arbeit gelten, die für viele Gefangene echte Hoffnungszeichen werden.

Unser Freund war da, um Begegnung zu ermöglichen. Er war da, wenn die Menschen ein Gespräch suchten, er feierte Gottesdienste mit ihnen, die vielen ein wichtiger Ort der Hoffnung wurden. So setzte er seine Energie und Kraft daran, in dem Gefängnis eine Kapelle zu bauen, was nach Jahren dann auch gelang. Nun gab es einen „äußeren“ Raum, einen besonderen, einen schönen Raum, in dem die Menschen nicht nach ihrem Gefangenenstatus beurteilt wurden, einen Raum, in dem ihre Würde geachtet wurde und ihre Fragen nach Gott, dem Leben, dem Sinn des Lebens, die Fragen nach Vergebung und die Suche nach Zukunft einen Platz hatten. In der Kapelle fanden regelmäßig Gottesdienste statt – irgendwann gab es einen Chor, der dann immer sang und schließlich nahm dieser Chor eine CD auf. Coro de la liberación – Chor der Befreiung nannten sie sich. Menschen, die in einer sehr schwierigen Situation leben, eine unsichere Zukunft vor Augen, tagtäglich Willkür und Gewalt ausgeliefert, tun sich zusammen mit einem, der die Begegnung ermöglicht, und singen von ihrem Glauben, von der Liebe Gottes, von der Freiheit und vom Heil-Sein, nicht abgehoben frömmelnd, sondern sehr erdverhaftet und glaubwürdig. Das ist schon bald 10 Jahre her, aber ich bin unserem Freund sehr dankbar, dass er dieses Projekt durchgeführt hat. Immer wenn ich die Musik der Gefangenen von Huancayo anhöre, dann hör ich diese Sehnsucht nach einem guten Leben und diese Hoffnung, dass es gut werden kann und den Glauben, dass Gott in jedem Leben eine ganz besondere Quelle sein kann.

Das ist vielleicht eine ganz moderne Version dessen, was die Begegnung von Maria und Elisabeth heute bedeuten kann. Vielleicht nicht Wort für Wort, aber wenn ich auf die Begegnung der zwei Frauen schaue, dann scheint für mich ein wenig jene Situation in den Bergen Perus durch:

Begegnung von Menschen in schwierigen Situationen
Maria wird sich der Schwangerschaft bewusst, muss sich hineinfinden, in einen neuen, unerwarteten Lebensabschnitt, mit wem soll sie dieses Wissen teilen?
Elisabeth erwartet vielleicht nichts mehr vom Leben und doch beginnt auch für sie eine unerwartete Zukunft. Und ihr Mann, der Zacharias schweigt. Mit wem hat sie ihre Sorgen und Gedanken teilen können?

Begegnung bewusst gewollt und gesucht
Maria macht sich auf den Weg – direkt und ohne lange zu fackeln. Zielstrebig nimmt sie den Weg unter die Füße. Das Nächstliegende tut sie. Sie geht zu Elisabeth, die ihre Hilfe brauchen kann und bei der sie ein offenes Ohr erwartet.

Begegnung, die Freude schenkt, weil beide um ihre tiefe Freundschaft und Zuneigung wissen – lange bevor viele Worte gewechselt werden.
Maria ist sich sicher, dass Elisabeth ihr Verständnis entgegenbringt. Sie möchte Elisabeth ebenfalls verstehen – und Elisabeth weiß alles, bevor auch nur ein Wort gesprochen ist. Wer die Erfahrung einer tiefen Freundschaft kennt, dem ist das durchaus plausibel. Wir spüren, was ist. Es braucht nicht immer Worte.

Begegnung, die immer auch in die Beziehung zu Gott mit hineingenommen ist.
Es gibt keinen Lebensbereich, in dem Gott nicht vorkommt, der nicht mit Gottes Augen betrachtet werden kann. Schwangerschaft und neues Leben – sollte Gott im Lebendigsten, was uns Menschen zu Menschen macht, nicht die zentrale Rolle spielen? Kann ich irgendwo „aus der Liebe Gottes herausfallen?“ Nicht im Glück und nicht im Unglück.

Von der Begegnung jener erzählen, von denen eigentlich nicht gesprochen wird.
Zur Zeit Marias und Elisabeths zählten eigentlich nur die Männer im Blick auf Öffentlichkeit und Gesellschaft. Männer erzählten Männergeschichten. Um wie viel wichtiger ist es Lukas dann, dass er die zwei Frauen hier als aktive zielstrebig handelnde, Geschichte schreibende Frauen uns übermittelt?

Begegnung von Frauen, die Neues erwarten, die die Welt nicht nur hinnehmen, sondern Energie und Bereitschaft in sich spüren, dass sich die Welt verändert, dass Neues entstehen kann, dass die Hoffnung nicht umsonst ist.

Begegnung von Frauen, die voller Hoffnung sind, weil sie sich lebendig spüren, weil sie sich gegenseitig in ihrer Freude und Hoffnung und Lebendigkeit wahrnehmen, sich zuhören, sich helfen und sich bestärken können.

Begegnung von Frauen, die einander beistehen, die einander helfen im Alltäglichen und im Besondern

Von Roland Breitenbach sind die folgenden Worte, die ich Ihnen gerne mit auf den Weg der letzten Adventstage geben möchte.

Herr, lass uns bereit werden für die Begegnung
mit uns, mit dir und miteinander.
denn:
Gott, du sollst neu in mir zur Welt kommen.
Dein Wort möge bei mir ankommen
und in mir Hand und Fuß bekommen.
Deine Nähe soll mein Leben warm machen,
um andere zu erwärmen.
Deine Art soll mich mehr und mehr
zu einem Menschen machen, der dir ähnlich ist.

Gott, der ewig junge, komme jetzt zu uns
und mache alles anders.
Er komme in unsere Herzen
und stelle die Welt auf den Kopf.
Er komme in unsere Welt
und befreie uns von allen Zwängen.
Er komme als Rad der Geschichte
und werde für uns zum Dreh- und Angelpunkt
eines neuen Lebens.

Ein Stern springt aus seiner Bahn,
strahlend hell zieht er dahin.
Gott leuchte uns mit diesem Stern
und zeige uns den Sinn.
Ein Berg steht auf und hebt sich fort,
ganz luftig-leicht von hier nach dort.
Gott kräftige uns mit starkem Glauben
und führe uns an jedem Ort.
Ein Gott wird Mensch aus ew’gem Lauf,
wird frei, uns allen gleich.
Gott heile uns durch neuen Mut,
er führe uns ins Friedensreich.

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(Roland Breitenbach in: Anneliese Hück (Hg), Advents- und Weihnachtswege, Schwabenverlag, S.14/2)

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Eine Antwort auf Begegnung voller Hoffnung – 4. Adventssonntag C

  1. gabriele sagt:

    Liebe Utta,
    kurz vor Hl .Abend lese ich Deine Predigt: DANKE SEHR. Dort wo wir einander wirklich begegnen ereignet sich Leben. spüren wir , dass wir lebendig sind. Die notwendigen Voraussetzungen, dass Gott in uns geboren wird.

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