Geben – aber wie? – 32. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 12
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
In jener Zeit lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte:
38 „Seht euch vor solchen Toragelehrten vor, die gern in langen Gewändern umhergehen, die Grüße auf den Marktplätzen ebenso lieben wie
39 Ehrenplätze in den Synagogen und bei den Mahlzeiten.
40 Sie verschlingen die Häuser der Witwen und beten zum Schein besonders lang. Sie werden einen umso schlimmerem Urteilsspruch empfangen.“
41 Jesus setzte sich im Tempel in die Nähe der Schatzkammer und beobachtete, wie das Volk Geldmünzen in die Schatzkammer warf. Viele Reiche warfen viel hinein.
42 Da kam eine bettelarme Witwe und warf zwei kleine Geldmünzen hinein, die nur wenig wert waren.
43 Da rief Jesus seine Jüngerinnen und Jünger zu sich und sagte zu ihnen: „Ja, ich sage euch: Diese bettelarme Witwe hat mehr als alle anderen in die Schatzkammer hineingeworfen.
44 Alle anderen haben aus ihrem Überfluss heraus gegeben, sie aber hat aus ihrer Armut heraus alles hineingeworfen, was sie besaß – ihren ganzen Lebensunterhalt. Damit hat sie ihr ganzes Leben Gott anvertraut.“

Autorin:
Passfoto A.R.Angela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, drei Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Geben – aber wie?

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist wieder Herbst. Die Blätter fallen von den Bäumen und in die Häuser flattern von überallher Briefe, in denen zu Spenden aufgerufen wird. Viele Nöte gilt es zu lindern, viele gute Zwecke bieten sich an. Die Deutschen spenden gern und reichlich. Meist auf eine Weise, wie es die Bibel verlangt, dass nämlich die rechte Hand nicht wissen soll, was die linke tut. Aber es gibt auch andere Grundsätze wie den: Tue Gutes und sprich darüber! Immer wieder sehen wir in lokalen Zeitungen Fotos, auf denen Leute mit einem großen Scheck abgebildet sind. Die Empfänger strahlen und die Geber zeigen stolz, dass sie etwas Gutes getan haben. So kann zum Beispiel eine Firma für sich werben und ihr Image verbessern. Und gleichzeitig als Vorbild wirken, wie es ein Zitat von Shakespeare nahelegt: „Die gute Tat, die ungepriesen stirbt, würgt tausend andre, die sie zeugen könnte.“

Im Neuen Testament wird ebenfalls geraten, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, damit es allen im Hause leuchte. Auch im heutigen Evangelientext geht es ums Spenden und um die Frage: Was ist wenig, was ist viel? Jesus sitzt im Tempel dem Opferkasten gegenüber und beobachtet, wie die Leute ihren Obolus einwerfen. Er sieht die Reichen, die viel geben, und ihm fällt die arme Witwe auf, die nur zwei kleine Münzen hineintut, ein paar Cents. Alles spielte sich öffentlich sichtbar ab und die Menge des Geldes, das die Reichen einwarfen, konnte Umstehende sicher beeindrucken, im Gegensatz zu dem geringen Betrag, den die Witwe gab. Nicht der Rede wert, nach dem altbekannten Motto: Haste was, dann bist du was. Und wenn du nichts hast, dann bist du eben nichts. So läuft es doch oft, bis heute.

Aber Jesus reagiert ganz anders. Er sieht genauer und tiefer, weil er das Ganze erfasst und mit den Augen des Herzens zu sehen gelernt hat. Daher ruft er seine Jüngerinnen und Jünger herbei, um auch ihnen die Augen und das Herz für die wahren Verhältnisse, nämlich die Wirklichkeit vor Gott, zu öffnen. Die Witwe, mit den Waisen – nicht nur – in der damaligen Gesellschaft zu den Ärmsten der Armen gehörend, hat zwar verschwindend wenig gegeben, aber sie hat alles geopfert, was sie hatte; ihren ganzen Lebensunterhalt, wie es im Schrifttext heißt. Jesus zeigt auf, dass sie mehr gegeben hat als die Reichen in ihrem Überfluss und somit das wahre Vorbild ist.

An Menschen wie sie richten sich die Seligpreisungen Jesu zuallererst, ihnen gehört die Zukunft des Gottesreichs, das schon in die Gegenwart strahlt. Wir erinnern uns an den reichen Jüngling, dem Jesus vorgeschlagen hatte, seinen Besitz zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben, und wie dieser traurig davonging, weil er an seinem Besitz hing. Die Witwe hingegen war von sich aus bereit, das Letzte, was sie hatte, zu geben. Oder geschah es doch nur aus Verzweiflung? Denn ihre Armut ist ein Skandal, der zum Himmel schreit. In der Bibel in gerechter Sprache schließt diese Stelle mit dem Satz: „Damit hat sie ihr ganzes Leben Gott anvertraut.“ Wie die Witwe von Sarepta aus der ersten Lesung, die ihr letztes Brot mit dem Propheten Elia teilt, vertraut sie darauf, dass Gott sie in ihrer Not nicht im Stich lässt. Mit ihrem tiefen Gottvertrauen sind diese beiden Frauen Vorbilder für ein Leben aus dem Glauben.

Dass Jesus die arme Witwe wahrnimmt und für sie Partei ergreift, signalisiert aber auch: Die Zukunft darf nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden. Schon jetzt und für alle Zeit verschafft ihr Jesus das Ansehen, das ihr gebührt, auch wenn sie selbst nichts davon geahnt hat. Er fordert unmissverständlich Gerechtigkeit ein, wenn er in aller Öffentlichkeit die Ungerechtigkeit der Herrschenden und Besitzenden kritisiert. Im heutigen Evangelium prangert er das Fehlverhalten von Vertretern der geistlichen Elite an und warnt die Leute vor diesen. Sie beanspruchen die ersten Plätze, verlangen Ehren- und Respektsbezeugungen und geben sich vorbildlich fromm, dabei nehmen sie den Armen auch noch das Letzte weg. Ausdrücklich nennt Jesus die Witwen, die von ihnen um Besitz und Obdach gebracht werden, und vielleicht ist ja auch die arme Witwe eine von ihnen.

Mit scheinheiligen Ausbeutern ist keine solidarische Gemeinschaft, wie Jesus sie anstrebt, zu erreichen. Reich Gottes oder „das Wohl schaffende Gutsein Gottes“ (Elisabeth Schüssler Fiorenza) wird erst erfahrbar, wenn das Vorhandene aufrichtig und ohne Vorbehalte geteilt wird, wenn wir füreinander einstehen. Dann wird uns schon jetzt Leben in Fülle geschenkt, dann können wir zusammen jubeln und Gott, der Quelle des Lebens, der Gerechtigkeit und aller guten Gaben, von ganzem Herzen danken.

Lassen Sie mich schließen mit einem Hoffnungsgedicht von Karin Schwendt zum Weltgebetstag 2011, dessen Thema die wunderbare Brotvermehrung war:

Einander sehen
füreinander sorgen
stärkt die Zuversicht
auf einen neuen Morgen.

Aufeinander hören
andere verstehen
und ein Stück Weg
in ihren Schuhen gehen.

Miteinander essen
von Gottes Gaben
und freudig von dem geben
was wir reichlich haben.

Aus Gottes Segen
dankbar leben
und aus vielen Fäden
einen Hoffnungsteppich weben.

Gemeinsam beten
fürsorglich handeln
und das Gesicht der Welt
wird sich verwandeln.

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2 Antworten auf Geben – aber wie? – 32. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Sabine Lambers sagt:

    Danke..
    Ein schönes Wochenende
    wünscht Sabine Lambers

  2. Walter sagt:

    Macht über die Seelen…

    Vielleicht könnte der Verzichts in unserer Welt mehr bewirken als alle Spenden…

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