Geh und verkünde – Zu unserem Hochfest Maria Magdalena am 22. Juli

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 20
11 Maria stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein.
12 Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
13 Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.
14 Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
15 Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.
16 Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.
17 Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern – und Schwestern – und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
18 Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.

Autorin:
Walburga_Rüttenauer-Rest2009Walburga Rüttenauer – Rest, Bensberg, verheiratet, drei Kinder, Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde

 
Die Predigt:
Geh und verkünde

Liebe Leserin, lieber und Leser,
heute feiert die Kirche den Gedenktag der Hl Maria Magdalena. Wer war Maria Magdalena? Der Vorteil eines Predigtblogs im Internet, wie der unsere, ermöglicht es, auf eine Predigt hinzuweisen, die wir im letzten Jahr zu diesem Tag lesen konnten.
Wer Maria Magdalena war, haben wir im letzten Jahr in der eindrucksvollen Predigt von Frau Elisabeth Dörrer-Bernhardt ausführlich erfahren. Ich empfehle Ihnen deshalb, diese Predigt in unserer Predigtreihe nachzulesen.

Ich möchte heute weniger auf die Persönlichkeit dieser Heiligen eingehen, als vielmehr ihren Stellenwert in der frühen Kirche bis in unsere Zeit beleuchten. Dabei möchte ich mich auf das Evangelium vom Tage konzentrieren, besonders auf einen Vers, dessen Bedeutung mir erst in diesem Jahr klar wurde.

Als Maria Magdalena am frühen Morgen das leere Grab entdeckt, erfährt sie den Verlust des Leichnams als neue Katastrophe. Bei schweren Unglücken aus der Luft oder im Wasser, wo es sehr schwierig ist, die Leichen zu bergen, beharren die Angehörigen oft darauf, die sterblichen Überreste ihrer geliebten Kinder oder Verwandten zu erhalten, auch wenn nur noch ein Rest von Knochen beerdigt werden kann. Wir brauchen unsere Gräber, weil wir an diesem Ort uns den Verstorbenen näher fühlen und die Erinnerung an den geliebten Menschen eine Art Heimat findet. Der Mensch besteht eben aus Leib und Geist. Das erfährt Maria Magdalena schmerzhaft am leeren Grab.

Sie verlässt das Grab nicht. Sie weint, sie hat den Menschen verloren, der ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben hat, den sie über alles liebte. So schnell wie die die beiden Jünger (Petrus und der Lieblingsjünger siehe: Joh 20,1-10) kann sie sich von dem Grab nicht lösen.

Nachdem die Jünger sich vergewissert haben, dass Marias Bericht vom leeren Grab der Wirklichkeit entsprach – bei Frauen weiß man ja nie, ob das stimmt, was sie erzählen – gehen sie kommentarlos nach Hause und nehmen keine Notiz von Marias Trauer. Die Jünger hatten Jesus nicht sterben sehen. Sie waren nicht dabei gewesen, als Jesus ins Grab gelegt wurde. Das Unbegreifbare der Auferstehung kann sie darum noch nicht berühren. So überlassen sie Maria Magdalena sich selbst. Wie hätten sie diese Frau auch trösten können, wenn sie ihre eigene Trauer nicht zulassen?

Frauen verweilen oft bei ihrem Leid. Sie kehren nicht so schnell zur Tagesordnung zurück. Sie versenken sich in ihren Schmerz, sie nehmen sich Zeit für die Trauer. Dadurch werden sie auch empfänglicher für unerwartete Hilfe. Maria beugt sich noch einmal über das Grab. Da sieht sie etwas, was die beiden Apostel nicht gesehen haben. Sie sieht zwei Engel. Der eine sitzt dort, wo das Schweißtuch lag und der anderen, wo Petrus die Leinenbinden gesehen hatte. Sie sieht die Engel und hört die Frage der Engel: Warum weinst du?
Petrus und Johannes haben nichts gehört. Auch erfahren wir nicht, ob sie geweint haben.
Maria Magdalena spricht aus, warum sie weint. Man hat meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Sie erschrickt nicht und wundert sich nicht über die Engel. Ihren Herrn hat man ihr genommen; da sind gerade die Engel die Wesen, denen sie ihren Verlust anvertrauen kann. Engel, die Verbindung zwischen Himmel und Erde, sind die richtigen Ansprechpartner für einen großen Verlust. Bei ihnen kann man alles aussprechen, was einen so traurig macht. Drei Tage sind vergangen, seitdem Jesus am Kreuz gestorben ist.

Nachdem Maria Magdalena ihren Schmerz bei den Engeln ablegen konnte, wandte sie sich um, heißt es im Evangelium. Wenn wir unseren Schmerz ausgesprochen haben bei einem aufrichtigen Zuhörer, – das sind oft Engel in Menschengestalt -, haben wir plötzlich die Kraft, uns von Schmerz und Trauer weg zu wenden, zu lösen. So war es auch bei Maria. Sie löst sich vom Grab und wird jetzt aufnahmefähig für eine neue Wirklichkeit.

Und nun geschieht etwas, was uns Frauen besonders treffen sollte. Jesus ruft sie bei ihrem Namen „Maria“. Wie ein Blitz durchfährt es sie. Es ist die Stimme ihres geliebten Herrn! Sie kann nur mit einem Wort antworten: “Rabbuni“. Das heißt: Mein Meister! Sie will ihn festhalten. Er aber hat für sie einen Auftrag, den sie widerspruchslos annimmt, auch wenn sie ihn viel lieber umarmen würde. Ihr Meister beauftragt sie mit der Verkündigung, dass er auferstanden und auf dem Weg zu seinem Vater ist.

An dieser Stelle wird die Be-rufung eines Menschen geschildert, einer Frau, die durch Jesus selbst vorgenommen wird: „Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Diese Evangeliumsstelle (Joh 20,17) widerlegt das Argument, dass Christus keine Frau berufen hätte.

Die Kirche selbst hat in den Ritus der Diakonatsweihe wie der Priesterweihe den Berufungsablauf wie ihn das Johannesevangelium bei der Hl. Maria Magdalena schildert, übernommen. Bevor mein Sohn vor 14 Jahren zum Diakon geweiht wurde, wurde er für alle hörbar, bei seinem Namen gerufen und er antwortete laut: Hier bin ich / ich bin bereit. Dasselbe erfolgte bei der Priesterweihe.

Jesus ruft Maria Magdalena bei ihrem Namen und sie antwortet: Rabuni, was bedeutet: Mein Herr! Verfüge über mich. Dann beauftragt er sie zur Verkündigung. In allen vier Evangelien erfahren die Apostel und Jünger von der Auferstehung Jesus zunächst durch die Frauen und immer wieder wird Maria Magdalena als erste genannt.
Aber die Apostel und Jünger glaubten den Aussagen der Frauen nicht und so ist es bis heute geblieben. ( Mk 16,11; Lk 24,11; ) Die Amtskirche begründet die Ablehnung einer Weihe für Frauen mit der Behauptung, Jesus habe keine Frau berufen. Wenn alle vier Evangelien berichten, dass die Frauen von Christus beauftragt werden, seine Auferstehung zu verkündigen, hat die frühe Kirche die Berufung der Frauen anerkannt, denn sonst würde es nicht im NT erwähnt. Erst als sich die Kirche dem damaligen Zeitgeist des Patriarchats angeglichen hat, wurden die Frauen ins Abseits gedrängt.

Doch keiner kann mir meine Berufung wegnehmen, absprechen. Das kann auch ein Bischof nicht, indem er behauptet, es könne die Berufung einer Frau nicht geben und dies brauche deshalb nicht zu einem Gesprächsthema werden, denn Jesus habe keine Frau berufen.

Im Laufe meines Lebens wurde sie mir immer klarer, immer auffordernder. Bei diesem Widerstand seitens der Amtskirche dauert es oft lange, bis eine Frau ihre Berufung sicher erkennt. Das klare Nein bezüglich einer Weihe seitens der Kirche, die ich liebe und achte, hat mir die Annahme meiner Berufung sehr erschwert und rausgezögert. Mein Leben war von einer inneren Unruhe durchdrungen. Trotz meines geliebten Berufes als Lehrerin, trotz meiner Familie mit drei gesunden Kindern und einem geduldigen Mannes, der meine Unruhe mit ertragen musste, war ich ständig auf der Suche. In den Ferien fuhr ich in verschiedene Klöster und hoffte dort Ruhe zu finden. Ich arbeitete gleichzeitig in der Pfarrcaritas und beim Asyl und begleitete Sterbende bei ihrer letzten Wegstrecke. Doch die innere Unruhe ließ nicht nach. Bis ich in einer Zeitschrift von einer Ausbildung als Diakonin erfuhr. Mein Entschluss stand sofort fest. Ausgebildet, aber nicht geweiht, habe ich mein diakonisches Tätigkeitsfeld erweitern können mit der Gewissheit als Diakonin berufen zu sein.

Meine Liebe zu unserer Kirche ist mit der Liebe einer Tochter zu vergleichen, die ihre alt und krank gewordene Mutter nicht verlassen will, auch wenn diese ihr das Leben schwer macht. Ich war auch vor der Ausbildung diakonisch tätig, aber erst die Gewissheit, dass ich zur Diakonin berufen bin, gibt mir immer wieder innere Ruhe, Stärke und Kraft.

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4 Antworten auf Geh und verkünde – Zu unserem Hochfest Maria Magdalena am 22. Juli

  1. Annemarie Gindele sagt:

    Danke auch dieses Jahr wieder für die wunderbare Predigt am Festtag der Hl. Maria Magdalena! Ich lebe in einer Gemeinde mit ihrem Namen. Wir Frauen sind sehr stolz darauf, in dieser Gemeinde St. Maria Magdalena zu wirken. In unserer Kirche aus dem 14. Jahrhundert wird sie schon sehr lange verehrt, und sie ist auf den Altären aus dem 15. Jh. genau 17-mal dargestellt, sogar auf dem modernen Ambo als Frau am
    Ostermorgen, die von Jesus den Auftrag zur Verkündigung der Osterbotschaft bekommt. Deshalb freut es mich ganz besonders für Sie, dass Sie Ihrer Berufung zur Diakonin folgen. Es ist in unserer Zeit ein Skandal, dass die Amtskirche immer noch die Weihe von Frauen verweigert. Wie lange will man eigentlich noch warten, wo doch der Notstand in der Seelsorge so offenkundig ist? Viele Gemeinden werden zusammengelegt zu einer Seelsorgeeinheit, Pfarrhäuser werden verkauft, vor Ort fehlt oft ein wichtiger Ansprechpartner für suchende und fragende Menschen. Was wäre unsere Kirche ohne die Arbeit von Frauen vor Ort, die sich so vielfältig einbringen, sei es bei Wortgottesfeiern, als Lektorinnen und Kommunionhelferinnen, im Krankenbesuchsdienst und in der Frauenarbeit, um nur einige wichtige Betätigungsfelder zu nennen, die ausschließlich ehrenamtlich geleistet werden. Nun gehören wir ja fast alle zur Generation 60 plus. Was passiert in einigen Jahren, wenn junge Frauen nicht mehr bereit sind, diesen Dienst in den Gemeinden ohne offizielle Beauftragung und Weihe zu leisten? Sie schreiben so wunderschön von der Liebe zu unserer Kirche. Ohne diese enge Beziehung und innere Berufung im Geiste der Maria Magdalena wäre unser Engagement nicht mehr denkbar. Alle guten Wünsche und Gottes Segen für Ihre Berufung!

    • Walter sagt:

      …Funktion und Weihe…
      bereits bei den Jägern und Sammlern hatten die Schamanen eine Sonderstellung.
      Herrschaftswissen hat seither merkwürdige Blüten getrieben bis hin zu NSA/USA,Glaubenskongregation,Inquisition,etc.
      Was soll die Weihe überhaupt ?
      Waren die „Geweihten“ nicht zu allen Zeiten Opfer ihrer
      „gottgegebenen “ Macht ?
      Das „tumbe “ Volk hat über dieses Thema heute wie zu des Christus Erdenzeit mit den Füssen abgestimmt.

  2. Walburga Rüttenauer-Rest sagt:

    Liebe Frau Gindele,
    könnten Sie mir die Adresse Ihrer Pfarrkirche nennen. Diese Kirche würde ich nur zu gerne besuchen. Vielen Dank Walburga Rüttenauer-Rest

    • Annemarie Gindele sagt:

      Liebe Frau Rüttenauer-Rest,
      meine Pfarrkirche St. Maria Magdalena ist in Tiefenbronn im Enzkreis.
      Herzliche Grüße Annemarie Gindele

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