Gott selbst begegnen wir meistens mitten im Winter – 2. Weihnachtstag / Hl. Stephanus

Lesung aus der ApostelgeschichteKapitel 6 und 7
6,8 In jenen Tagen tat Stephanus, voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk.
9 Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Zyrenäer und Alexandriner und Leute aus Zilizien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten;
10 aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen.
7,54 Als sie seine Rede hörten, waren sie aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen.
55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.

Autorin:
5054fa60Marita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken – Malstatt, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Gott selbst begegnen wir meistens mitten im Winter

Liebe Leserin, lieber Leser,
Vor ein paar Tagen war im Radio eines dieser moderneren Adventslieder zu hören. Im Text ging es darum, dass die vier Jahreszeiten unter sich ausmachen wollten, welche die schönste aller Jahreszeiten sei:
Der Frühling geht mit der zunehmenden Helligkeit, den Frühjahrsblumen, der erwachenden Natur und der Lust am Leben ins Rennen.
Der Sommer punktet mit Sonne und Wärme, mit Zeit für das Schöne und auch für die Liebe,
der Herbst hält sich für den Allerschönsten mit seiner bunten Pracht in den Wäldern, mit seinem gemäßigten Klima, mit den vielen reifen Früchten.
Der Winter hingegen hat nur Kälte, Eis und Schnee zu bieten und legt dann ganz schüchtern doch noch die Adventszeit und das Christkind in die Waage.
Das hält der Herbst für Verschwendung! Er bittet den Winter, ihm doch auch noch die Weihnachtszeit zu überlassen, denn dann hätte er das Rennen um die schönste Jahreszeit endgültig für sich entschieden. Doch der Winter sagt: Das geht nicht! Das Christkind gehört schließlich mitten in den Winter!

Und wo er Recht hat, hat er Recht, der Winter. Die Geburt Jesu Christi, die Ankunft Gottes bei uns Menschen gehört nicht in eine der hellen und schönen Jahreszeiten, sie gehört in Dunkelheit und Kälte, mitten in den Winter.

Das muss auch Stephanus erleben. Er ist ein glühender Anhänger Jesu, wird als solcher aber verfolgt und verhaftet. Vor dem Tribunal, das über ihn urteilen wird, hält er eine Verteidigungsrede. Sie ist brillant, theologisch überzeugend und ausgefeilt, ein Highlight rhetorischer und argumentativer Kunst.

Stephanus hat alles hineingelegt, was er als religiöser Mensch zu bieten hat. Er sprüht vor Begeisterung für seinen Glauben. Und diese Meisterleistung, diese persönliche Bestleistung erfüllt ihn mit der Gewissheit: alles wird gut. Ich habe meine Widersacher überzeugt.

Wir alle kennen das ebenfalls. Immer wieder erleben wir Situationen, in denen wir uns extra viel Mühe geben und das Ergebnis auch besonders gut ausfällt: ein beruflicher Erfolg, eine schöne Zeit in der Familie, in der Beziehung, eine sportliche Hochleistung, die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. „Ich habe es geschafft“, ein gutes, ein glückliches Gefühl stellt sich ein, dieses „Wow-bin-ich-toll-Gefühl“. Wir stehen mittendrin im Sonnenschein des Lebens, im Licht unseres Erfolges. Manchmal hält dieses Gefühl nur einen Augenblick, manchmal ein paar Stunden, einen Tag.

Doch dieses Hochgefühl unseres eigenen Tuns hat einen Haken: In ihm begegnen wir nicht Gott, sondern nur uns selbst. Der Erfolg ist eine Zone, die zutiefst menschlich ist. Nicht, dass Erfolg und Glück etwas wären, dass Gott uns nicht gönnt, im Gegenteil: oft genug schenkt er uns tiefe und glückliche Augenblicke. Doch Gott selbst begegnen wir meistens – mitten im Winter.

So ist es auch bei Stephanus, denn seine hervorragende Rede bewirkt genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen soll. Die Ankläger werden noch wütender und verurteilen ihn zum Tode. Auch das erleben wir oft genug: das gute Gefühl, der Stolz über eine persönliche Meisterleitung kann sehr schnell ins Negative umschlagen. Für Stephanus heißt das: er wird zur Steinigung abgeführt, er wird leiden und sterben.

Und dann: mittendrin in den Schmerzen und im Todeskampf, da öffnet sich der Himmel, da offenbart sich Gott, da ist Gott dem Stephanus ganz nah. Mitten im tiefsten Dunkel seines Lebens erfährt Stephanus Gott so intensiv, dass er bis zum Schluss die Kraft hat, an Gott festzuhalten, sein Leben im Gebet zu beenden und dazu noch für seine Peiniger einzutreten.

Wir brauchen nicht in die Vergangenheit zu blicken, um Dunkelheiten und Kälte, um den Winter in unserer Welt zu sehen. Wir alle wissen nur zu gut um die Winter-Zeiten in unseren Leben, Winterzeiten aller Art. Der Winter beschränkt sich eben nicht nur auf die Natur da draußen, auch in uns und um uns kann es „mitten im Winter“ sein. Doch genau das ist die Zeit, in der Gott bei uns ankommen will und auch kann. Es sind die Winter-Zeiten, die den Himmel über uns öffnen und die uns selbst auch für den Himmel öffnen. Es ist die Zeit, in der Stephanus uns vorangeht, uns ein Beispiel gibt: nicht dann, wenn wir toll sind und uns toll fühlen, reicht Gott uns seine Hand, sondern dann, wenn es eng wird und kalt, dann ist er da.

Deshalb ist es gut, wenn wir mit allen Sinnen jedes Jahr neu darauf gestoßen werden: Gott wird Mensch, das geht nur mitten im Winter.

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