Nichts erschrecke dich! – Zum Gedenktag der Hl. Teresa von Avila am 15. Oktober

Aus dem Evanglium nach Johannes, Kapitel 15
Jesus sagte zu seinen Jüngerinnen und Jüngern:
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer.
2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.
3 Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe.
4 Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Die in mir bleiben und in denen ich bleibe, bringen reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
6 Die nicht in mir bleiben, werden wie die Reben weggeworfen und verdorren. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.
7 Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.
8 Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jüngerinnen und Jünger werdet.

Autorin:
Beate_3Beate Limberger, Gemeindereferentin, Klinikseelsorgerin im Klinikum Heidenheim

 
Die Predigt:
Nichts erschrecke dich!

Liebe Leserin, lieber Leser,
am 15. Oktober feierten wir den Gedenktag der Hl. Teresa von Avila. Ich denke, dass diese Frau auch uns heute noch viel zu sagen hat und möchte ihr daher die heutige Predigt widmen.

Zunächst zu ihrer Biografie:
Teresa von Avila, ihr Ordensname war: Teresa de Jesus, wurde 1515 geboren und trat mit 20 Jahren in das Karmelitinnen-Kloster bei Avila ein, wohl auch um der stark genormten Rolle als Ehefrau zu entgehen. 1537 legte sie die ewigen Gelübde ab, doch fand sie im Klosterleben keinen echten Frieden. Nach einer Krise erlebte sie angesichts einer Darstellung des leidenden Christus die existenzielle Erfahrung des Angenommenseins von Gott. Ab diesem Zeitpunkt wollte sie eine radikale Christusnachfolge leben und diese Erfahrung allen zugänglich machen. Im „inneren Gebet“ pflegte sie einen intensiven Austausch mit Gott. Gegen viele Widerstände erhielt sie schließlich von Papst Pius IV. und dem Bischof die Erlaubnis, in Avila ein eigenes Kloster, die „Unbeschuhten Karmelitinnen“, zu gründen. Hier sollte die ursprüngliche Ordensregel wieder befolgt und die Klausur eingehalten werden. Dieser Gründung folgten 16 weitere Klöster, später, zusammen mit Johannes vom Kreuz, entstanden auch 16 Männerklöster.

Teresas Vorstellungen von Klosterleitung waren durchaus modern, unhierarchisch, ja demokratisch. Sie übte deutliche Zeit- und Kirchenkritik und entsprach so gar nicht dem Bild der Frau in der damaligen Kirche und Gesellschaft. Immer wieder wurde sie aus Ordens- und Kirchenkreisen angefeindet und in ihrem Wirken behindert und musste sich mehrfach der Inquisitionsbehörde stellen. Zahlreiche Schriften von ihr wurden zensiert und zu ihren Lebzeiten nicht veröffentlicht. Ihre Schrift Die innere Burg, in der sie eine Reise des Menschen in seine allerinnerste Mitte beschreibt, gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. Hier wird auch deutlich, welch brilliante Mystikerin sie war. Die tiefe Gottverbundenheit, das Sein in Gott, von dem im Evangelium die Rede ist, war für Teresa tragender Grund ihres Wirkens. 1622 wurde sie heiliggesprochen und 1970 als erste Frau in den Rang einer Lehrerin der Kirche erhoben.

Was kann diese Frau uns heute im 21. Jahrhundert, also rund 500 Jahre später, sagen? Für mich sind es vor allem drei Punkte:
1. Ihr vehementer Einsatz entgegen aller Widerstände für Strukturänderungen und neue Wege
2. Ihr starkes Engagement, in dem aktives Tun und der innere Weg gleichermaßen wichtig sind
3. Ihre einzigartige Spiritualität, die sich aus einer tiefen Gotteserfahrung nährt

Zu jedem dieser Punkte ließe sich vieles ausführen, was den Rahmen hier sprengen würde. Daher sollen hier einige wenige Aspekte herausgegriffen werden.

1. Ihr vehementer Einsatz entgegen aller Widerstände für Strukturänderungen und neue Wege
Schon damals setzte sich Teresa für die Gleichberechtigung der Frau ein: Herr meiner Seele! Als du noch in dieser Welt wandeltest, hast du die Frauen nicht verachtet, sondern ihnen im Gegenteil stets deine besondere Zuneigung bewiesen. Fandest du doch in ihnen ebenso viel Liebe und mehr Glauben als bei den Männern… Die Welt irrt, wenn sie meint, dass wir weder öffentlich wirken dürfen noch einige Wahrheiten aussprechen, um derentwillen wir ihm Geheimen weinen, und dass du, Herr, unsere gerechten Bitten nicht erhören würdest… Aber ich halte es in diesen Zeiten für Unrecht, wenn man starke und zum Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt. (aus: Weg der Vollkommenheit) Wenn wir uns vor Augen halten, wie die Stellung der Frau zur damaligen Zeit war, wird deutlich, welchen Mut und welches Selbstbewusstsein Teresa von Avila mit solchen Worten bewiesen hat. Gleichzeitig betonte sie immer wieder, dass all ihr Engagement einzig aus der Liebe heraus geschieht.

2. Ihr starkes Engagement, in dem aktives Tun und der innere Weg gleichermaßen wichtig sind
An mehreren Stellen betont sie, dass Gottes- und Nächstenliebe untrennbar zusammengehören: Je mehr ihr, liebe Schwestern, in dieser Liebe (zum Nächsten) fortschreiten werdet, je stärker wird auch, glaubt es mir!, die Liebe zu Gott in euch erwachen… Darum müssen wir genau unser Verhalten gegenüber anderen beobachten.(aus: Seelen-Burg) Für Teresa wird Gott im Nächsten sichtbar und erfahrbar. Es geht ihr darum, Gott im anderen Menschen zu begegnen ebenso wie in Situationen und Gegebenheiten, wie das von ihr sehr bekannte Zitat zeigt: Erkennt, dass selbst in der Küche bei den Töpfen der Herr euch begleitet, um euch innerlich und äußerlich beizustehen. (aus: Klostergründungen, Kapitel 5) Hier wird auch ihre geerdete Spiritualität deutlich. Die Gottverbundenheit ist unabhängig vom äußeren Tun überall und zu jeder Zeit möglich.

3. Ihre einzigartige Spiritualität, die sich aus einer tiefen Gotteserfahrung nährt
Für Teresa steht Gott an erster Stelle sowohl im inneren als auch im äußeren Leben. Dies zeigt das von ihr häufig zitierte Gebet:

Nichts verwirre dich, nichts erschrecke dich,
Alles geht vorüber; Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erreicht alles.
Wer Gott besitzt, dem mangelt nichts.
Gott allein genügt.

Wie viel Tiefe und Weite in diesen wenigen Zeilen steckt, davon kann ich nur immer wieder ahnen. Wie oft fühle ich mich verwirrt oder erschrecke angesichts weltweit politischer, kirchlicher oder auch einzelner Leiden, Krisen und Nöte. Dann bin ich herausgefordert, immer wieder neu darauf zu vertrauen, dass Gott da ist, der mitgeht, mitleidet und in dessen Gegenwart alles, was nötig ist, da ist. Diesen Weg mag mir Teresa weisen. Oder auch eine Patientin, die ich kürzlich auf der Intensivstation besuchte: nach mehreren Operationen war sie sehr geschwächt, die Prognose nicht gut. Da hinein sagt sie mit einem schwachen Lächeln und einem Blitzen in ihren Augen: „Ich habe nichts mehr, nur noch Gott. Mit ihm habe ich alles, was ich brauche.“ Beschenkt und nachdenklich gehe ich von ihr weg und darf spüren, dass die tiefe Erfahrung Teresas heute noch genauso aktuell ist wie damals.

Auch hier wird deutlich, wie die Worte des Evangeliums Wirklichkeit werden, wenn es da heißt: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Die Früchte von Teresas Leben sind vielfältig und reichen bis in unsere heutige Zeit hinein. Und ich bin froh um solche Frauen und Männer, die Wegweiser sein können für uns, die wir heute suchend und tastend unterwegs sind nach einem lebendigen und authentischen Glauben in einer säkularen Welt.
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Zum Weiterlesen:
Lorenz, Erika (Hg.): Lockruf des Hirten – Teresa von Avila erzählt ihr Leben
Voigt, Ulrike (Hg.): Du rührst die Saiten meiner Seele – Die großen Mystikerinnen vom Mittelalter bis heute
Teresa von Avila: Die innere Burg

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4 Antworten auf Nichts erschrecke dich! – Zum Gedenktag der Hl. Teresa von Avila am 15. Oktober

  1. Ulrike Ruppert sagt:

    Die Frauenpredigten gehören seit einiger Zeit zu meinem Sonntag Morgen. Sie sind immer interessant, manche berühren besonders. So hat mich diese Predigt ruhig werden lassen und näher zur Mitte geführt in einer Situation wo mich meine täglichen Aufgaben manchmal panisch werden lassen und niederdrücken wollen. Danke dafür.

  2. ulla sagt:

    Theresa von Avila’s bekanntes Gebet löst in mir eine große Ruhe und Sicherheit aus. So wenige Worte die so viel, die alles sagen.
    Wenn man sich vor Augen führt, wie diese Frau vor 500 Jahren gewirkt hat, welche Mißstände sie in der Kirche Frauen gegenüber benannt hat, erschrickt man dann aber doch, ob der Tatsache, dass sich seit 500 Jahren dahingehend nichts Nennenswertes getan hat. – Jesus war da schon weiter !

  3. regula rüesch sagt:

    guten tag

    können sie mir eine antwort in sachen korrekter gedenktag von teresa von avila geben.
    bin der meinung, dass dies der 15. august eigentlich vom 4. auf den 15. august war.
    der 15. oktober ist ihr gedenktag, da am 15. august „maria himmelfahrt“ gefeiert wird,
    wurde der gedenktag auf den 15. oktober 1515 verschoben. ist das die richtige meinung? vielleicht als anhängerin von teresa wissen sie etwas mehr.
    alles liebe und gute
    regula

    • Birgit Droesser sagt:

      Liebe Regula,
      auf Ihre Frage hin habe ich nachgeschaut und gefunden: Teresa von Avila wurde am 28. März 1515 geboren und starb am 4. Oktober 1582.
      „Da der Sterbetag der hl. Teresa in der katholischen Kirche bereits der Gedenktag des heiligen Franz von Assisi war, wurde ihr Gedenktag um einen Tag verlegt. Wegen der gregorianischen Kalenderreform war dies der 15. Oktober, daher ist dieser Tag der Gedenktag. Die hl. Teresa von Avila starb also in den damaligen katholischen Gebieten am letzten Tag der Gültigkeit des Julianischen Kalenders. Gelegentlich taucht entsprechend diesem Kalender auch der 5. Oktober als Gedenktag auf.

      Katholisch: 15. Oktober (Gebotener Gedenktag im Allgemeinen Römischen Kalender)
      Anglikanisch: 15. Oktober
      Evangelisch: 15. Oktober (Gedenktag im Evangelischen Namenkalender)
      Eine dem Gedenktag entsprechende Bauernregel lautet: Zu Theres‘ beginnt die Weinles‘.“ aus: Wikipedia

      Viele Grüße
      B. Droesser

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