Im Leid den Kopf heben und Jesus ansehen – Fest der Kreuzerhöhung

Erste Lesung aus dem Buch Numeri, Kapitel 21
4 Die Israeliten brachen vom Berg Hor auf und schlugen die Richtung zum Schilfmeer ein, um Edom zu umgehen. Unterwegs aber verlor das Volk den Mut,
5 es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser. Dieser elenden Nahrung sind wir überdrüssig.
6 Da schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen und viele Israeliten starben.
7 Die Leute kamen zu Mose und sagten: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit. Da betete Mose für das Volk.
8 Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht.
9 Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 3
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus:
13 Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.
14 Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden,
15 damit alle, die an ihn glauben, in ihm das ewige Leben haben.
16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.
17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.

Autorin:
5054fa60Marita Rings–Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken – Malstatt, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Im Leid den Kopf heben und Jesus ansehen

Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn wir Begriffe wie Königliche Hoheit, höherer Dienst, deutscher Hochadel, High Society oder auch Top-Manager hören, dann ergreift uns meist eine gewisse Ehrfurcht oder auch „Hoch“-Achtung vor den „hohen Tieren“ dieser Welt. Die da oben, so haben wir schließlich schon früh gelernt, die da oben sind etwas Besonderes, etwas Besseres und denen haben wir mit Respekt, Ehrerbietung und auch Unterwürfigkeit zu begegnen. Nicht umsonst waren vor hochgestellten Persönlichkeiten Verbeugungen oder Kniefälle angesagt und vorgeschrieben. Vor den Mitgliedern der europäischen Königshäuser ist das bis heute so. Und manchmal durfte man sich Kaisern, Königen und Herrschern aller Art nur kriechend oder in geduckter Haltung nähern. Und es scheint für viele Menschen ein erstrebenswertes Ziel zu sein, sich ebenfalls nach „oben“ zu arbeiten oder zu dienen. Oben zu sein, höher zu stehen als der andere, größer zu sein als sie, war Menschen und vor allem Mächtigen aller Zeiten offensichtlich sehr wichtig, deshalb auch die erhöhten und entrückten Throne. Von Augenhöhe kann da keine Rede sein, eher von Distanz und Unnahbarkeit.

Und um gleich die ganze Welt in die richtige Hierarchie-Ordnung zu bringen, haben sie auch den Allmächtigen mit einbezogen in ihre Ordnung und ihn ganz weit weg auf einen hohen Thron gesetzt. In vielen Kirchen finden wir heute noch Bilder und Gemälde dazu. Doch Gott wollte und will das nicht. Er will sich nicht von den Menschen entfernen, im Gegenteil, er will nahe bei ihnen sein, an ihrer Seite, mitten unter ihnen. Und deshalb wurde er Mensch, ein ohnmächtiges kleines Menschenkind in der Geschichte der Zeit – den Mächtigen seiner und aller Zeiten fast zum Trotz. Gott will dem Menschen, den er als sein Ebenbild betrachtet, auf Augenhöhe begegnen, als Partner auf dem Lebensweg.

Und diesen Weg als liebender Gefährte des Menschen ist Gott in Jesus gegangen und zwar ganz konsequent. Und das hat bedeutet: sein Weg führte ihn dorthin, wo Menschenleben sich ereignete, in alles Schöne, was wir Menschen erleben, und vor allem in alles Schwere, was uns mitunter zugemutet wird. Dazu gehören auch Not und Armut, Elend und Ungerechtigkeit, Schmerz, Gewalt und Tod. Tiefer konnte der Allmächtige bei uns Menschen nicht einsteigen, als in all das, was unser Leben unerfüllt, schmerzhaft, traurig und wütend macht, bis hinein in Sterben und Tod – am Kreuz. Es gibt so unendlich Vieles, an dem wir Menschen leiden. Genau das aber ist der Ort, an dem Gott uns begegnen will. In Glück und Freude auch, aber vor allem in unseren Dunkelheiten. Denn die Freuden des Lebens sind gut zu tragen, doch beim Leid brauchen wir Hilfe, Gottes Hilfe. Dann dürfen wir ihn anrufen und dann ist er uns nahe, nicht weit weg auf einem entfernten Thron.

Die Erfahrung, dass Gott Jahwe ihnen in Leid und Tod nahe ist, machen auch die Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste. Sie sind mal wieder an einem kritischen Punkt angekommen und murren. Wozu der lange Weg, wenn am Ende nur Plage und Mühsal übrigbleiben und dieses seltsame Manna-Brot, das keiner mehr essen will? Doch es kommt noch schlimmer. Schlangen fallen ins Lager ein, verletzen und töten die Israeliten. Schlangen, sie sind das Symbol schlechthin für Schmerz und Tod. Schlimmer konnte es nun wirklich nicht mehr kommen. Doch Jahwe ist auch in dieser Krise bei ihnen. Mose macht eine Schlange aus Kupfer, er führt ihnen sozusagen permanent ihre Not, ihr Elend vor Augen und immer dann, wenn sie aufblicken und ihrem Leid in die Augen sehen, dann sind sie beschützt. Eine „Therapie“, die zu allen Zeiten Menschen Kraft und Zuversicht gegeben hat. In dem Augenblick, in dem ich mein Leid benenne, ihm in die Augen sehe, kann ich kraftvoller und wirksamer mit ihm umgehen. Jesus kennt das auch und am Ende wird genau diesen Weg gehen. Er weiß, was auf ihn zukommt, und er hat die Kraft, Folter und Kreuz auf sich zu nehmen, um uns Menschen zu sagen: egal was dich quält, ich bin in deinem Schmerz bei dir. Sieh auf das Kreuz, an dem ich gehangen habe, und erinnere dich: ich habe es durchlitten und überstanden.

Schlangen und Kreuz sagen uns: Gott ist kein ferner Gott, im Gegenteil. Er ist immer dann da, wenn wir leiden, gebeugt sind und klein. Dann will er uns aufrichten, will, dass wir den Kopf heben, ihn ansehen, Schritt für Schritt heil werden und überleben. Jesus, erhöht am Kreuz, ist kein Gottessohn, der auf einem Thron erhöht ist, sondern ein Gottessohn, der uns vom Kreuz herab die Hand reicht, uns aufrichtet. Wir sollen nicht nach unten sehen, sondern nach oben. Nicht ganz weit nach oben, da wo die Mächtigen sich gerne ihre Throne bauen, sondern soweit nach oben, dass wir aufrecht stehen, wie es uns als Menschen zusteht.

Und soweit nach oben, dass Jesus uns ins Gesicht sehen und sagen kann: egal, wie dein Kreuz aussieht, wir tragen es gemeinsam, weil ich dich liebe.
Oder, wie P. Albert Sieger OSB es formuliert:
Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!
Das heißt nicht: Leide! sondern:
Lebe aus dem Glauben an Gott,
auch wenn deine Pläne und Wünsche durchkreuzt werden.

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