Heilsame Unruhe – 21. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 13
22 Auf seinem Weg nach Jerusalem zog Jesus von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte.
23 Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte zu ihnen:
24 Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.
25 Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid.
26 Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt.
27 Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan!
28 Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid.
29 Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen.
30 Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.

Autorin:
Regina-Zimmermann1-225x300Regina Zimmermann, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Gäu und in der Klinikseelsorge in Herrenberg

 
Die Predigt:
Heilsame Unruhe

Liebe Leserin, lieber Leser,
leichte Kleidung, leichtes Essen, leichte Sommerlektüre – es soll alles ein wenig leichter sein in diesen Sommertagen. Und heute dieses Evangelium. Nichts mit Leichtigkeit, keine leichte, leicht verdauliche, eher eine harte Kost, die uns an diesem Sonntag zugemutet wird.
Denn die Frage „sind es (wirklich) nur wenige, die gerettet werden?“ und die Aussagen Jesu stehen unmissverständlich im Raum: „Bemüht euch …“, eine ultimativ verschlossene Türe, kein „klopft an, dann wird euch geöffnet“, sondern zweimal der Satz, der einem die Luft nimmt „ich weiß nicht, woher ihr seid.“
Alle Hinweise auf gemeinsam Erlebtes, auf gemeinsam gegangene Wege scheinen Jesus nicht zu berühren. „Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan“. Es mag uns vielleicht ein wenig beruhigen, dass sich in den letzten Versen des heutigen Evangeliums dieses enge Tor in alle Himmelsrichtungen weitet und dass aus dem kollektiven alle ein individuelleres manche wird. Insgesamt aber scheint diese Frohbotschaft von heute doch eher zu beunruhigen. Was tun?

Eine Option wäre da: Ich strenge mich mehr an: versuche besser, frommer, konsequenter, gehorsamer, gütiger zu sein. Ich arbeite an meinen Glaubensleistungen, um dann am Ende vielleicht nicht vergeblich zu klopfen. Oder aber: ich lasse alles laufen in Sachen Glaube und Nachfolge und hoffe darauf, eine von den manchen Letzten zu sein. Schon an meinen Formulierungen, liebe Leserinnen und Leser, spüren Sie, dass dies wohl nicht wirkliche Optionen sind. Gott ist weder ausrechen- noch erpressbar. Seine „Arithmetik“ folgt anderen Gesetzen, und gleichzeitig spüren wir: Ein Taktieren mit den letzten Plätzen geht – im Sinne Jesu – gar nicht.

Also bleibt: Lassen wir dem Evangelium von heute seine Kantigkeit. Diese enge Türe, die vielleicht auch irgendwann eine verschlossene Türe sein wird, soll, darf und will uns in Unruhe versetzen. Jesus spricht nun mal von einer engen Türe, nicht von einem breiten Scheunentor, durch das jeder und alles hindurchgeht. Sein Leben, seine Botschaft hat den Tür – Rahmen abgesteckt. Das Gebot der Nächstenliebe, die Solidarität zu den Ausgestoßenen, die Forderung nach Frieden und Gerechtigkeit setzen eindeutig und unmissverständlich die Grenzen, die Türpfosten zu jenem Tor.
Auch kann diese Türe wohl keine Schwingtüre sein, die jedem Druck nach allen Seiten nachgibt. Die Botschaft Jesu ist keine Sache der Beliebigkeit. Also – so mein vorletzter Gedanke: Lassen wir uns beunruhigen, anfragen – auch wenn wir es in diesen Sommertagen gerne etwas leichter hätten.

Aber – und jetzt wird es sommerlich leicht und weit – ich möchte sie gedanklich einladen auf einen Kurzurlaub in die Toskana, nach Siena. Diese mittelalterliche Stadt hat in ihrem Zentrum einen wunderschönen Platz, den Rathausplatz: Il Campo.
Der Weg dorthin ist nicht ganz unbeschwerlich, er ist eng, steinig, uneben, manchmal verwirrend, dennoch sehr schön. Im Sommer erfrischend kühl, da in die engen Gassen und Straßen fast keine wärmende Sonne kommt. Die Menschen kommen sich nahe, kommen in Berührung auf diesen schmalen Wegen, die sich wie Schalen um den Campo legen. Am innersten Rand dieser Gassen führen schmale Korridore zwischen den Wohnbauten auf schmale Tore zu, die den Platz ringsum begrenzen. Wer Siena kennt, weiß um das Erleben, wenn man nach diesen engen Gassen durch die engen Tore auf diesen faszinierenden Platz tritt. Licht und Weite machen diesen Platz für mich zu einem der schönsten.

Liebe Leserin, lieber Leser, nehmen wir den engen Toren des Evangeliums nicht ihre Kantigkeit und lassen wir uns in Unruhe versetzen. Aber könnte dieser Ausflug nach Siena uns nicht ein wenig Leichtigkeit schenken für unsere Lebenswege? Die engen Wege und Gassen haben ja was. Sie machen unser Gehen, unsere Lebenswege – nicht nur in Siena – spannend und anspruchsvoll. Sie bringen uns einander nahe, in Berührung, entschleunigen unseren oftmals schnellen Schritt. Sicher: Diese schmalen Wege lassen uns auch straucheln, tragen Gefahren in sich, aber das Leben pulsiert links und rechts des Weges – denken sie nur an die zahlreichen köstlichen Eisdielen und Espresso Bars – . Und vor allem: Wir sind immer unterwegs mit der Hoffnung auf die Weite, die uns erwartet. Diese Hoffnung wertet unser Leben nicht ab. Eher gibt sie unserem Gehen eine Richtung und Orientierung.

So wünsche ich Ihnen, dass sie nicht in erster Linie das Bild der engen Türe gefangen nimmt und lähmt, sondern dass Sie die Weite des Reiches Gottes ruft, die jenseits dieses Tores auf uns wartet. So kann die mögliche Unruhe, die uns beim Hören des Evangeliums streift, eine heilsame Unruhe sein, denn sie ahnt das Heil, das Gott uns jenseits dieses Tores bereiten wird und das wir auf unseren Wegen immer schon aufleuchten sehen.

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3 Antworten auf Heilsame Unruhe – 21. Sonntag im Jahreskreis C

  1. claus kilian sagt:

    der hinweis auf den campo gefällt mir.ich ergänze das bild mit dem schlanken und hohen turm des platzes und den brunnen, an dem sich die menschen erfrischen können.

  2. W. sagt:

    Die Aussicht auf die Weite eines großen Platzes nach dem mühsamen Durchlaufen enger Gassen ist verführerisch. Als Krankenhausseelsorgerin kenne Sie aber sicherlich Lebensläufe, die am Ende ihres Lebens nur auf dunkle, übel riechende Irrwege zurückschauen können. Haben Sie da den Mut aus innerer Überzeugung diese Menschen mit der hellen Weite nach dem Tod zu trösten?
    Im Evangelium berufen sich die Menschen auf das gemeinsame Essen und Trinken mit Jesus- ein Bild für unsere Eucharistiefeiern- also auf ein frommes Leben. Sie erinnern den Herrn daran, dass sie ihm zugehört haben, als er auf ihren Wegen gepredigt hat. Sie haben sich also theologisch weiter gebildet.
    All das spielt beim Herrn keine Rolle. Er kennt sie nicht. Kann ich da so weitergehen mit der möglichen Aussicht auf eine geöffnete Tür, hinter der uns eine wohltuende Weite erwartet?

  3. Kähny sagt:

    Zeitenwende:
    nach gerade 2000 Jahren ist das Christentum (trotz Events mit Pomp und Purpur ) zur Minderheitenproblematik degeneriert – mit dem fatalen Hang zum (antimuslimischen ?) Fundamentalismus.
    Vielleicht heissen die engen Türen heute : Solidarität und Integration…(?)

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