Freiheit verpflichtet – 13. Sonntag im Jahreskreis C

Die „Bibel in gerechter Sprache“ ist eine Übersetzungsarbeit an der mehr als 300 Einzelpersonen und Gruppen beteiligt waren, begonnen 2001, erschienen 2006.Vorarbeiten dazu gehen bis in die 80er Jahre zurück. Diese Übersetzung will das biblische Grundthema Gerechtigkeit in dreifacher Hinsicht besonders in die Mitte nehmen:
Geschlechtergerechte Sprache, Gerechtigkeit im Hinblick auf den jüdisch-christlichen Dialog und soziale Gerechtigkeit.

Die „Bibel in gerechter Sprache“ übersetzt griechisch: sarx, deutsch: Fleisch, an dieser Stelle im Galaterbrief mit Herrschafts-Hörigkeit.
Der Lesungstext ist vor dem Hintergrund der gesetzten Ordnung zu lesen: alle Völker im römischen Reich mussten öffentlich an religiösen Bekundungen teilnehmen. Nur für den jüdischen Bevölkerungsteil galt eine Freistellung. Manche hatten nun den männlichen Galatern der Gemeinde geraten, sich beschneiden zu lassen, um sich so, als „richtige“ Juden, diesem Zwang zu entziehen.
Paulus wendet sich gegen diesen Rat, ebenso wie er sich gegen die römische Anordnung wendet.
Vermutlich wehrte sich Paulus dagegen, dass die christliche Gemeinde der Galater den römischen religiösen Kult hinter sich bringt, um Ruhe zu haben, oder die Männer sich davon befreiten, indem sie sich beschneiden ließen, was damals viel näher lag, weil Judentum und Christsein noch miteinander gedacht wurden.

Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien, Kapitel 5
1 Schwestern und Brüder! Zur Freiheit hat uns der Messias befreit, steht also aufrecht und lasst euch nicht wieder unter das Joch der Sklaverei fangen.
13 Ihr aber, Schwestern und Brüder, seid zur Freiheit gerufen, nur sei die Freiheit kein Vorwand dafür, es der herrschenden Weltordnung nachzumachen, sondern durch die Liebe sollt ihr füreinander Sklavendienst leisten.
14 Denn die ganze Tora ist in einem einzigen Wort erfüllt: Liebe deinen Nächsten und deine Nächste wie dich selbst.
15 Wenn ihr einander jedoch reißt und beißt, seht zu, dass ihr voneinander nicht aufgefressen werdet.
16 Ich sage aber: Lebt in der Geistkraft und ihr werdet euch von den Begehrlichkeiten, die in der Hörigkeit gegenüber der herrschenden Weltordnung wurzeln, nicht steuern lassen.
17 Denn der herrschaftshörige Impuls begehrt gegen die Geistkraft auf; die Geistkraft aber gegen die Herrschafts-Hörigkeit:
Diese beiden sind das wirkliche Gegensatzpaar, und deswegen tut ihr nicht, was ihr eigentlich tun wollt.
18 Wenn ihr euch aber von der Geistkraft leiten lasst, steht ihr nicht unter der Gesetzesanordnung.

Autorin:
scale-210-210-12_25508028_2Maria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen, stellvertretende geistliche Leiterin der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Freiheit verpflichtet
 
Liebe Leserin, lieber Leser,
unter diesem Text feierten gestern neun Theologinnen ihre Beauftragung zu Pastoralreferentinnen. Sicher wäre es spannend von jeder einzelnen eine Predigt dazu zu hören, oder noch besser eine im Austausch erarbeitete gemeinsame Auslegung.
Gestern war auch das Fest Petrus und Paulus: der freiheitsliebende Paulus und Petrus, der für das Amt schlechthin steht, ein reizvolles Paar der Gegensätze…

Was ist Freiheit?
Alice, Sozialpädagogin und Lehrerin, nennt sich eine glückliche Frei-Frau.
Sie hat, nachdem Altersteilzeit nicht möglich war, entschieden, mit weniger Geld zu leben und gekündigt. Sie wollte aus den Strukturen raus. Jahrzehntelang unterrichtete sie erfolgreich, war in ihrer Tätigkeit sehr anerkannt und geschätzt. Dennoch wollte sie die zunehmenden Reglementierungen hinter sich lassen. Nun wählt sie bewusst aus, wofür und mit wem sie Zeit und Kraft einsetzt.
Sie beschreibt Freiheit als Weg von der Fremdbestimmung zum Gegenüber auf Augenhöhe, zu Partnerschaft, wie sie sagt.
Freiheit bedeutet – fast immer-, bewusst Nachteile in Kauf zu nehmen. Oder anders gesagt, Prioritäten zu setzen.

Was ist Freiheit?
Paulus zufolge bedeutet frei handeln: im inneren Streit zwischen Geistkraft und Herrschafts –Hörigkeit, zwischen Überzeugung und Anpassung, zwischen Berufung und zugewiesener Rolle, das zu tun, was wir wirklich tun wollen.
Im Kommentar zur Predigt vom 16. Juni in dieser Reihe schreibt eine Leserin:
An diesem Wochenende trafen sich die Frauen des zweiten Diakonatskreises, d.h. die Frauen, die vor 10 Jahren mit ihrer Ausbildung zur Diakonin begannen.
Nach ihrer dreijährigen Ausbildung kehrten sie in ihre Gemeinden zurück, eine Weihe seitens der Kirche wurde kategorisch abgelehnt. Bis heute arbeiten sie ehrenamtlich als “Ungeweihte” in der Kirche, wo man sie lässt. Arbeitsfelder gibt es genug….

Kein Zweifel, diese Frauen tun, was sie eigentlich tun wollen. Sie bleiben ihrer Berufung auf der Spur. Sie leben aus der Geistkraft, würde Paulus wohl sagen. Von der Verweigerung der Weihe lassen sie sich nicht steuern, in diesem Fall nicht bremsen. Wenn wir die offizielle Anerkennung als Begehrlichkeit sehen, so lassen die Frauen diese hinter sich. Sie handeln.
„Sie machen ihr Ding“ würden wir umgangssprachlich sagen. Die Frage bleibe, wie ihr Handeln zeichenhaft als kirchliches Handeln erkennbar werde, so Professorin Margareta Gruber, OSF.
Nicht zu vergessen ist: anders als ihre hauptamtlichen männlichen Kollegen in der Diözese, können sie nicht von ihrer Arbeit leben. Und sie haben wohl weniger Gestaltungsspielraum als die anderen nebenamtlichen Diakone.

Freiheit ist anstrengend. Nicht nur im inneren Kampf des Gegensatzpaares Geistkraft und Herrschafts-Hörigkeit, auch real wirtschaftlich. Paulus selbst hat immer wieder betont, dass er als Zeltmacher von der eigenen Hände Arbeit lebe und der Gemeinde nicht zur Last falle.
Zudem kennt er den Kampf um die Anerkennung durch die Apostel aus eigener Erfahrung.
Schließlich kam er nicht aus dem Kreis der Zwölf. Er bemüht sich um Verbundenheit, aber er macht sich nicht von deren Anerkennung abhängig. Seine Autorität hat er sich mühsam erarbeitet. Vielfach war er verspottet, verjagt, ins Gefängnis geworfen, wie die Apostelgeschichte berichtet. Paulus spricht sicher nicht idealistisch von Freiheit, sondern mitten aus dem Leben. Wer sich zur Freiheit entscheidet kennt die Konsequenzen.
Diese nicht gut zu heißen, erspart uns nicht, sie zu tragen.
Dennoch zieht er dieses anstrengende Leben dem fremdbestimmten vor. Sich nicht steuern lassen von Begehrlichkeiten, die in der Herrschaftshörigkeit wurzeln.

Wie lernen wir unterscheiden zwischen Herrschaftshörigkeit und Geistkraft?
Philosophinnen unserer Zeit sagen, weibliche Freiheit entstehe, wenn Frauen sich entscheiden, andere Frauen anzuerkennen und lernen, sich aufeinander zu beziehen, was nicht gleichgesetzt werden darf mit zustimmen. Gemeint ist, sich dessen gewahr zu sein, dass es nicht zufällig passiert, woran ich mich orientiere, sondern ich entscheide, worauf, auf wen, ich mich beziehe, zustimmend oder erwidernd. Was oder wen ich ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit nehme, oder was, beziehungsweise wen ich zum Bezugspunkt meines Handelns mache, ist meine Entscheidung. Theologinnen haben dies vielfach in Arbeiten zu biblischen Frauen getan. Ein wesentlicher Unterschied zu männlichen Kollegen ist neben den Themen, dass sie ihre Arbeit viel seltener auf finanziell abgesicherten Stellen leisten.

Entscheiden heißt Verantwortung für das eigene Tun und Lassen zu übernehmen: orientiere ich mich am Handeln der ehrenamtlichen, nicht geweihten Diakonin, beziehe ich mich auf die Predigt der Pastoralreferentin, erkenne ich die Leitungsfunktion der Gemeindereferentin an… „Wir sollten lernen, hemmungslos gut voneinander zu reden“, ist ein Gedanke, der mir gefällt. Etwas ernster formuliert: Wem gebe ich Autorität?
Oder anders gesagt in wessen Dienst stelle ich mich? Wie gehe ich dabei mit strukturellen Grenzen um? Wann erlaube ich mir zu kapitulieren?

Freiheit ist kein Zustand, den ich „ein für alle Mal“ erreiche. Sie will immer wieder errungen sein. Freiheit realisiert sich in konkreten Situationen, in – kleinen – Momenten. Zum Beispiel in der Initiative zu diesem Predigt Forum. Ich brauche Andere zum freien Handeln. Freiheit ist nur im Miteinander möglich. Nicht nur, dass Freiheit ohne menschliches Bezugsgewebe sinnlos wäre: im Sinne von Paulus verlangt Freiheit danach, sich von anderen in Dienst nehmen zu lassen. Vielmehr, dass wir uns aktiv und bewusst in den Dienst füreinander stellen. So kommen wir zu unserer Identität: liebe deinen Nächsten und deine Nächste wie dich selbst. Auf diese Bestimmung kann sowohl Tora als auch Neues Testament zugespitzt werden. Nach einem rabbinischen Gedanken heißt es:
„Gott ist der Ort der Welt“, Gott ist unser Bezugspunkt. Diese Verbindung gehört untrennbar zu unserer Identität. Wenn wir uns auf Gott beziehen, auf die Tora, auf das Neue Testament können wir in der Welt frei handeln und die Ordnung der Welt gestalten.
Nach dieser Lesart bedeutet ‚frei sein‘ sich selber treu zu sein. Mitten in vielfältigen Beziehungen und in Auseinandersetzung mit gesetzten Ordnungen.

Kollegen und Kolleginnen der Caritas haben sich letzten Herbst in Dienst nehmen lassen. Die Ordnung der Welt, das Gesetz des freien Marktes, hatte verlangt, dass die unteren Lohngruppen von der tariflichen Erhöhung ausgeschlossen werden, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die Mitarbeiterschaft hat sich solidarisch gegen dieses Ansinnen gewehrt. Mit Erfolg. Sie haben nicht – wie allenthalben üblich – hingenommen, dass die Menschen in den einfachen Tätigkeiten von der Lohnerhöhung abgekoppelt werden.
Sie gehen den anstrengenden Weg der Freiheit, des sich füreinander in Dienst nehmen lassen.

Freiwillig dienen. Diese Aufforderung geht immer über die Gesetzeslage hinaus. Auch über das weltweit geltende Kirchengesetz, das Frauen von den symbolisch wichtigen Weiheämtern ausschließt, und von den damit verbundenen Leitungsfunktionen. Wir leben in einer spannenden Zeit: wann wird sich die Liebe durchsetzen?

Brisant ist der Auftakt der Lesung: steht aufrecht und lasst Euch nicht wieder unter das Joch der Sklaverei fangen. Wir sind schon befreit. Es ist unsere Entscheidung, wem wir im Herzen folgen. Die Frage ist wo lassen wir uns ohne Notwendigkeit vereinnahmen?
Aber auch, wie gnädig sind wir mit uns selbst: wo erkennen wir, dass wir uns vereinnahmen lassen ohne uns dafür zu verurteilen?

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5 Antworten auf Freiheit verpflichtet – 13. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Kähny sagt:

    heute, wie schon vor über 2000 Jahren dämonisiert die patriarchalische Kirche „die Frau“.
    Von dem entsprechenden „Gesetz“ hat uns der CHRISTUS erlöst (Gal 3,13).

  2. Kind Gottes sagt:

    Wenn ich das schon höre, Bibel in gerechter Sprache!!!!!!!
    Ist Gott ungerecht???????????????
    Im Timotheusbrief steht, daß alle Schrift von Gott eingegeben ist nützlich zur zurechtweisung usw. Dh. die reformatorische überlieferte Schrift ist von Gott!!!!!!
    Da kann man doch nicht her gehen und diese einfach FÄLSCHEN, nur weil einem das eine oder andere nicht in den Kram passt!!!!!!!!!!
    Hierrüber nach zudenken lohnt sich auch mal:

    1Tim 2,12 Ich erlaube aber einer Frau nicht, zu lehren, auch nicht, daß sie über den Mann herrscht, sondern sie soll sich still verhalten.

    Wer will daran vorbeigehen!!!! Außer man glaubt der Schrift nicht mehr!!!

    Kotz

    • Birgit Droesser sagt:

      Dass sich hin und wider das Bedürfnis geltend macht, sich bei jemandem „auszukotzen“, können wohl die meisten nachvollziehen. Wenn man dem aber öffentlich nachgibt, und sich dabei, um anonym zu bleiben, hinter dem Ehrentitel eines jeden Menschen versteckt, dann ist das in meinen Augen Gotteslästerung. Mit einer ernst zu nehmenden Auseinandersetzung hat Ihr Kommentar leider nichts zu tun.

  3. Kind Gottes sagt:

    Keineswegs gibt es eine wie auch immer geartete Auseinandersetzung, wozu auch, das Wort Gottes steht und spricht klar für sich selbst. Der Mensch tritt vor dem Willen Gottes ganz bestimmt in den Hintergrund. Und dieser Willen ist sehr eindeutig in seinem unverfälschten und auch klar überlieferten Text für jeden Menschen ersichtlich!
    (Unrevidierte Lutherbibel 1912, oder die neuere Schlachter 2000)

    Offenbarung 22, 18-21

    Fürwahr, ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand etwas zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht;
    und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buches dieser Weissagung (BIBEL), so wird Gott wegnehmen seinen Teil vom Buch des Lebens und von der heiligen Stadt, und von den Dingen, die in diesem Buch geschrieben stehen.
    Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen. — Ja, komm, Herr Jesus!
    Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen.

    2.Timotheus 4,1-5

    Daher bezeuge ich dir ernstlich vor dem Angesicht Gottes und des Herrn Jesus Christus, der Lebendige und Tote richten wird, um seiner Erscheinung und seines Reiches willen:
    Verkündige das Wort, tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen; überführe, tadle, ermahne mit aller Langmut und Belehrung!
    Denn es wird eine Zeit kommen, da werden sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich selbst nach ihren eigenen Lüsten Lehrer beschaffen, weil sie empfindliche Ohren haben;
    und sie werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Legenden zuwenden.
    Du aber bleibe nüchtern in allen Dingen, erdulde die Widrigkeiten, tue das Werk eines Evangelisten, richte deinen Dienst völlig aus!

    Dies ist Gottes Wort

  4. Kind Gottes sagt:

    Noch mal kurz zu dem Thema wer Kind Gottes ist.

    Johannes 1, 10 -13

    Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, doch die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
    Allen aber,

    d i e i h n a u f n a h m e n (ernsthaft in ihr Leben aufnahmen und nicht nur formel),

    denen gab er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben;
    die nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

    1. Johannes 3, 10

    Daran sind die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels offenbar: Jeder, der nicht Gerechtigkeit übt, ist nicht aus Gott, ebenso wer seinen Bruder nicht liebt.

    Galater 3, 29

    Wenn ihr aber Christus angehört, so seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.

    1Joh 2,6

    Wer sagt, daß er in ihm bleibt, der ist verpflichtet, auch selbst so zu wandeln, wie jener (Jesus) gewandelt ist.

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