Licht und Leben – Pfingstmontag

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 3
16 Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.
17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.
19 Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse.
20 Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.
21 Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Autorin:
5054fa60Marita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken – Malstatt, Bistum Trier

 
Die Predigt:
Licht und Leben

Liebe Leserin, lieber Leser,
im Schul-Lesebuch meiner Kindheit stand eine Geschichte, die mich seit fast fünfzig Jahren begleitet. Sie geht auf Grimms Märchen zurück und stände heute sicher als politisch unkorrekt in keinem Schulbuch mehr. Dabei ist ihr Inhalt zeitlos und heute genau so aktuell wie zu den Zeiten der Gebrüder Grimm. Eine Geschichte von Schuld und Gerechtigkeit, von Licht und Finsternis. In Kurzfassung lautet sie so:
Ein verarmter Schneider auf Wanderschaft trifft einen Juden und will den vermeintlich Reichen berauben. Doch als dieser ihm versichert, dass er nur acht Heller bei sich hat, glaubt ihm der Schneider nicht und schlägt ihn tot. Bevor der Jude stirbt, sagt er noch: „Die klare Sonne wird das Verbrechen an den Tag bringen.“ Der Schneider aber zieht ungerührt weiter, findet Arbeit, heiratet die Tochter seines Meister und erbt mit ihr das Haus. Eines Tages trinkt er ein Glas Wasser und in diesem Augenblick spiegelt sich darin das Sonnenlicht. Da muss er an die letzten Worte des Juden denken und fängt laut an zu lachen. Seine Frau will wissen, worüber er lacht und sie lässt nicht locker, bis er ihr die Wahrheit sagt. Sie verspricht ihm zwar, ihn nicht zu verraten, sagt es aber dann doch ihrer Patin. Bald weiß es die ganze Stadt, er wird verhaftet und hingerichtet.

Für mich als Kind setzte, nachdem ich diesen Text gelesen hatte, genau der Erziehungseffekt ein, der ja in der Schule erwünscht ist: ich sollte den Unterschied zwischen Recht und Unrecht erkennen lernen und ich sollte auch erfahren, dass es nicht lohnt, etwas „Böses“ zu tun, denn „die Sonne“ würde es unweigerlich irgendwann „an den Tag bringen“.

Die Geschichte war aber nicht nur eine Erziehungs-Geschichte, sondern in ihr ist eine Erfahrung verarbeitet, die so alt ist, wie die Menschheit selbst und die in unterschiedlichen Variationen auch in der Bibel steht.
Im Text des Johannes-Evangeliums lautet der passende Text so:
Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.

Wir Menschen erleben immer wieder, dass sehr viel Unrecht geschieht, auch an uns selbst. Wir erfahren, dass dieses Unrecht, dieses Böse, oft genug unentdeckt bleibt, weil es eben im Dunkeln überdauern kann.
Wir erfahren, dass eben nicht jedes Unrecht an den Tag kommt und dass es in unserer Welt, auch global betrachtet, mehr Ungerechtigkeiten gibt als Güte.
Das Licht, dem wir alles Positive zusprechen, kann sich nicht immer gegen die Finsternis, der alles Negative zugeordnet wird, durchsetzen. Auch weil, so das Evangelium weiter, die Menschen die Finsternis mehr lieben als das Licht. Wer morgens die Zeitung aufschlägt oder das Radio einschaltet, der wundert sich zuweilen, dass bei all den Katastrophen-Schlagzeilen, die angeboten werden, überhaupt noch Gutes in der Welt ist. Doch das Gute, das Licht, lässt sich nicht ausrotten, es wird vielleicht vertrieben und muss fliehen, aber es kann nicht zerstört werden.
Immer wieder und unermüdlich, so scheint es, fängt es neu an, den Menschen ihr Leben ein klein wenig besser, lebenswerter und liebenswerter zu machen, ihnen Hoffnung zu geben und Gerechtigkeit.
Solange zumindest, bis die Finsternis, das Böse, sich wieder einschleicht.
Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass die Menschen sich so leicht von der Finsternis einnehmen lassen, man könnte man sagen „verführen“ lassen:
Unehrlichkeiten, Lügen, Betrügereien, und seien sie noch so gering, oder Respektlosigkeit und Verletzungen sind nur einige der „Werke der Finsternis“ und wir werden fast täglich mit ihnen konfrontiert.
Sie gehören schon so selbstverständlich zu unserem Alltagsleben, dass niemand sich mehr aufregt, wenn ihm ein „kleines“ Unrecht geschieht, denn das wird mit einer ebensolchen kleinen „Rache“ möglichst bald pariert.
Dass sich hinter diesem täglichen kleinen Unrechtsgeplänkel der große Streit: Licht gegen Finsternis, Gut gegen Böse versteckt, nimmt niemand mehr wahr.
Und so kommt es, dass es den Anschein hat, das Gute wäre schon längst verloren gegangen und das Böse regiere die Welt.

Wir alle sind im Kleinen und im Großen gefährdet, wie die Enthüllungen der letzten Wochen und Monate zeigen. Niemand kann von sich behaupten, ein ganz reines Gewissen zu haben und sei es, dass fast jeder bei der Steuererklärung ein ganz klein wenig mogelt – tut ja keinem weh!
Doch, es tut der Gemeinschaft sehr wohl weh! Es trifft diesen und schadet jener und ist ganz klares Unrecht. Die Menschen, wir Menschen, lieben eben die Finsternis.

Doch:
„Die Sonne bringt es an den Tag“. Diese uralte Menschheitserfahrung gilt immer noch. Und es gilt auch: Gott, den wir für das Licht, die Liebe und vor allem die Güte halten, er gibt nicht auf. Immer und immer wieder leuchtet er die Finsternis aus, bringt Unrecht und Böses an den Tag, auch unser Unrecht.
Doch Gott will uns Menschen mit der Aufdeckung unserer „finsteren Taten“ nicht vor Gereicht zerren, er will, so wie damals in meiner Schule, einen Erziehungsprozess einleiten. Er will, dass wir lernen, mehr und mehr Gutes zu tun. Er will, dass wir gerettet werden.

Die Pädagogen meiner Kindheit und vor allem unsere Eltern wollten uns mit solch einprägsamen Geschichten ja auch dazu anhalten und erziehen, das Unrecht zu lassen und das Gute zu tun. Denn Unrecht lohnt sich nicht, so die Botschaft.
So lautet auch das Evangelium, die Froh-Botschaft Gottes: das Böse, die dunkle Seite der Macht, wie junge Menschen es heute formulieren würden, wird sich nie durchsetzen, sie wird Schlachten gewinnen, aber nicht den Krieg.

Auch wenn es mühsam ist, auch wenn es oft aussichtlos erscheint, auch wenn es oft lange dauert: derjenige, der Gutes tut, der ist von Gott angesehen und dem wird Recht geschehen.
Die Sonne bringt alles an den Tag, alles Böse und alles Gute.
Das Gute aber wird von Gott wahrgenommen und führt uns zum Leben und das ist unser großes Ziel. Jedes Böse aber führt uns davon weg.
Wir sind also eingeladen, immer öfter das Gute zu tun, uns dem Licht zuzuwenden, damit wir nicht zugrunde gehen, sondern lebendig bleiben.
Ein klein wenig alte Pädagogik und eine Geschichte aus den sechziger Jahren kann da durchaus anschiebende Wirkung haben.

Als Gott alles, was existiert, schuf, ließ er Kräfte
entstehen, die Ihn offenbaren, und Kräfte, die sich Ihm
widersetzen. Er schuf Licht, und Er schuf Dunkelheit.

Jemand, der Gutes tut, bringt mehr Licht in die Welt. Jemand,
der sich für das Böse entscheidet, nährt die Dunkelheit.
Jener jedoch, der die Dunkelheit gewählt hat und dann umkehrt,
transzendiert die gesamte Ordnung. Er wendet sich direkt an
den Urschöpfer, jenseits von Dunkelheit und Licht.

Und seine Dunkelheit wird in Licht verwandelt.
© Yuval Lapide

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Licht und Leben – Pfingstmontag

  1. Kähny sagt:

    Gottesbild-Menschenbild:

    Zur Sündentheologie-wie überhaupt zur Theologie, da gibt es, wie unser neuer Papst sagt: viel „Geschwätz“…
    Die „eucharistische Versammlung“ (zumindest die des Nordens) stimmt darüber mit den Füssen ab.
    Die menschliche Erfahrung zeigt,dass „gut“ und „böse“ sich in der Zeit /Geschichte relativieren.
    Es scheint,die Theologie hat Angst vor sich selbst: zu oft hat sie sich geirrt-„geschwätzt“:
    „veni creator spiritus…!-
    Schenke uns ein „hörendes“ Herz.

Schreibe einen Kommentar zu Kähny Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

55 + = 62

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>