Mit Macht anders umgehen – 29. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 10
35 In jener Zeit traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.
36 Er antwortete: Was soll ich für euch tun?
37 Sie sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen.
38 Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
39 Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.
40 Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind.
41 Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes.
42 Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen.
43 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein,
44 und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

Autorin:
Sabine Mader 2
Sabine Mader, Pastoralreferentin in Esslingen, verheiratet, zwei Kinder,
Mitglied im Diözesanrat, Delegierte im Dialogprozess der Deutschen Bischofskonferenz

 
Die Predigt:
Mit Macht anders umgehen

Liebe Leserin, lieber Leser,
wem gelten in diesem Evangelium Ihre Sympathien? Den Jüngern, die sich über Jakobus und Johannes aufregen, weil die für sich eine Sonderstellung eingefordert haben, oder den beiden selbst? Es ist ja normal, dass man sich – besonders auch mit unseren Erkenntnissen über Jesus – schnell auf die Seite derer schlägt, die kritisieren, und nicht auf die Seite der Gemaßregelten.

Aber mir fällt das diesmal sehr schwer. Und wissen Sie warum? Ich kann Jakobus und Johannes gut verstehen. Natürlich ist die Lust an der Macht nicht unbedingt sympathisch, aber wenn wir ehrlich sind, kennen wir ihren Wunsch doch alle aus eigener Erfahrung. Wir möchten alle wichtig und anerkannt sein, besonders bei den Menschen, die wir bewundern, die uns viel bedeuten. Es ist doch ein tiefes Bedürfnis jedes Menschen, wer zu sein, eine anerkannte Rolle zu haben, Beachtung und Bewunderung zu erleben. Wer genießt es nicht, gesagt zu bekommen, eine gute Arbeit zu leisten und deshalb auch Verantwortung zugeteilt zu bekommen? Das fängt ja schon bei unseren ganz Kleinen an, die durch Lob und Anerkennung angespornt werden zu lernen. Und wem dieses positive Feedback nie gegeben wird, der hat unweigerlich Probleme mit sich selbst – entweder reißt er Macht an sich, fischt ständig nach Komplimenten, oder er traut sich nicht, seinen Platz zu behaupten und gehört immer wieder zu den Verlierern dieser Gesellschaft. Wie gesagt, ich ertappe mich oft dabei, zu hoffen, dass ich, bzw. meine Arbeit, gewürdigt und anerkannt werde und bin enttäuscht, wenn es nicht so ist. Das zieht mit runter und lässt mich manchmal das Ziel aus den Augen verlieren.

So wundert es natürlich nicht, und ganz ehrlich, es erleichtert auch, wenn Jesus diesem Machtkampf, diesem Schrei nach Wichtigkeit und oberflächlicher Anerkennung andere Kategorien entgegensetzt: Bei euch aber soll es nicht so sein, gibt er uns mit auf unseren Weg. Euer Augenmerk richte sich besser nicht nach den Eitelkeiten dieser Welt, denn ihr könnt eure Kraft ganz woanders herbekommen. Wenn ihr den Weg mit mir geht , – den Kelch trinkt, die Taufe empfangt -, das ist es erst, was euch in eurem Leben Halt gibt. Lob und Anerkennung dagegen, ja leider oft auch Liebe, die Menschen geben können, sind vor Enttäuschungen nie sicher. Der Sturz kann tief sein. Ich verstehe diese Richtigstellung Jesu auch als Absage an die Angst. Er möchte nicht, dass wir aus Angst, nicht geschätzt oder geliebt zu werden, um diese Anerkennung kämpfen, sie uns um jeden Preis verdienen wollen. Ganz im Gegenteil, er versichert uns, dass wir aus seiner Liebe nie herausfallen können, dass er uns Sicherheit und Fülle geben will für unser Leben.

Auf den zweiten Blick klingt diese Zurechtweisung Jesu aber auch sehr hart: Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben. Dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind. Ich höre schon meine beste Schulfreundin, die vor Jahren aus der Kirche ausgetreten ist, argumentieren: „siehst du, ich habe dir schon immer gesagt, dein christlicher Glaube nimmt dir jede Freiheit – über dich wird ja nur bestimmt.“ So denken sicher viele Menschen. Doch dem habe ich eine Erfahrung als Klinikseelsorgerin entgegenzusetzen: wie oft habe ich – auch in dieser Woche – schon gehört: „Sie sind aber genau zur rechten Zeit gekommen“, oder: „ jetzt weiß ich, warum ich in die Klinik kommen musste – dieses Gespräch war notwendig.“ In solchen Momenten werde ich dann immer sehr demütig und dankbar, denn es ist sicher nicht meiner Genialität oder meinem Spürsinn zu verdanken, dass ich zur rechten Zeit am rechten Ort bin und vielleicht auch noch den richtigen Ton treffe. Nein, ich spüre, dass da wer durch mich wirkt. Mein Platz ist also bestimmt, nicht als Verhinderung des Guten, sondern als Ermöglichung. Es ist jemand da, der mich voll Liebe führt, der sich immer wieder in meinen Begegnungen erfahrbar macht. Und ich fahre gut damit, alle meine Herausforderungen, aber auch meine Sehnsüchte ganz vor Gott zu bringen, denn das bewahrt mich immer öfter, alles nach meinen Kräften machen zu wollen. Da wäre ich bei der Fülle der Herausforderungen schnell am Ende – so kann ich aus seiner Fülle schöpfen.
So finde ich, muss jeder von uns den Umgang mit Macht, mit Sehnsucht nach Geltung zuerst einmal für sich selbst klar haben, um zu erkennen, wie schwer es ist, diesem Drang zu widerstehen. Erst dann ist unser Blick genug geschärft, um die Mächtigen dieser Welt zu beurteilen.
Und ich glaube, erst dann ist eine konstruktive Atmosphäre der Rückmeldung möglich – z.B. im Dialog mit Vertretern der Amtskirche. Nicht Angriffe und Pauschalverurteilungen bringen die Lösung für unsere Kirche, sondern das vertrauensvolle Gespräch, das auf keiner Seite jemals abgebrochen werden darf.

Natürlich gibt es aber auch Fälle, von denen Jesus klar verurteilend spricht, nämlich gegenüber den Mächtigen, die ihr Volk unterdrücken und ihre Macht über Menschen missbrauchen. Da reicht es nicht zu verstehen, oder Besseres anzumahnen; da liegt es an uns einzugreifen, und den Unterdrückten beizustehen. Aber auch das geht nur, wenn wir uns selber in dieser Beziehung nichts zuschulden kommen lassen. Wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es andere Wege gibt, Menschen zu führen. Ich merke immer wieder, dass beim Thema Macht und Machtmissbrauch die Kirche keinen guten Ruf hat – leider sehr oft zu Recht. Viel zu oft hat sie in ihren eigenen Strukturen unterdrückt, und viel zu oft hat sie sich mit den herrschenden Unterdrückern verbündet, um ihre Stellung nicht zu verlieren.

Bei euch aber soll es nicht so sein – das ist der Anspruch, die Herausforderung, an der jede und jeder von uns täglich das eigene Verhalten überprüfen muss: Bin ich Diener, bzw. Dienerin, oder setze ich mich über Menschen hinweg? Benutze ich Menschen, damit ich mich gut fühlen kann, oder interessiere ich mich auch ernsthaft für ihre Sorgen und Nöte? Glaube ich, selbst meines Glückes Schmied zu sein, oder vertraue ich darauf, dass Gott durch mich wirkt, dass er meine Talente zum Strahlen bringt? Und ich kann Ihnen berichten, die Augenblicke, wo mir diese Haltung gelingt, sind die freudigsten und erfülltesten Momente meines Lebens. Immer dann spüre ich die Liebe Gottes unendlich stark.

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3 Antworten auf Mit Macht anders umgehen – 29. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Kähny sagt:

    …mit Macht anders umgehen/20.10.12
    -Macht dient -zumindest der Linderung oder Verhütung eigenen Leids.
    -Macht macht sicherer:
    der Weg Jesu in das Leid kann von der auf ihre -IHM nachfolgenden – Söhne (Jakobus/Johannes ) angewiesenen Mutter nicht ohne weiteres akzeptiert werden.
    Ebenso spricht die „existenzielle Unsicherheit“ aus den Bemerkungen des Petrus und seiner Mitjünger.
    Und Jesus … ?
    Die „Liebe “ Gottes w i l l das Leid genauso wie die Hoffnung.
    In dieser Spannung bewegt sich der Mensch genau so wie die Amöbe:

    KH.Kähny

    • Birgit Droesser sagt:

      Ich stimme Ihnen zu und finde es gut, wenn Sie auf den psychischen Konflikt zwischen Hoffnung und Angst vor dem Leid der Menschen, die im Bibeltext vorkommen, hinweisen. Aber Ihre Aussage, dass die Liebe Gottes das Leid will, ist, so denke ich, nicht hinnehmbar. Sie setzen ja auch den Begriff Liebe in Anführungszeichen.
      Zugegeben: in den Kirchen wurde und wird oft anders gesprochen. Aber der Gott, den uns Jesus Christus gezeigt hat, WILL allein und ausschließlich, dass sein Reich in dieser Welt wachsen möge. Darauf bezieht sich der Gebetsruf im Vater unser : “ Dein Wille geschehe“. Das heißt weniger pathetisch, Menschen erfüllen den Willen Gottes, wenn sie, so gut sie es können Leid lindern und Tränen trocknen. Dazu gehört ganz wesentlich, die eigenen Schattenseiten zu erkennen und bestmöglich in die eigene Entwicklung zu integrieren, damit wir möglichst wenig Schaden anrichten, obwohl wir es gut machen wollen (Machtmissbrauch!). Diesen Gedankenanstoß lese ich in der Predigt.
      Die Frage nach dem Warum des Leides wird uns lebenslang begleiten. Aber der größte Teil ist doch ohne Zweifel von Menschen verursacht. Gott, unser Vater und unsere Mutter, will nicht, dass wir leiden. Das Leid fügen uns oft andere zu ( siehe heute die Nachricht vom Suizid einer von Jugendlichen im Internet gemobbten 15-jährigen in Kanada). Es ist auch häufig der Preis für ein authentisch und konsequent gelebtes Leben ( siehe Jesus Christus, Mahatma Ghandi, Martin Luther King, Oscar Romero, viele Christen, Ordenleute und Missionare, die für ihren Glauben sterben mussten und so viele andere).

  2. Kähny sagt:

    Birgit Droesser sagt am 23.10.12/Machtmissbrauch…

    „… musste nicht all dies geschehen …?…(Jesus auf dem Emmausweg).
    Bibelleser bekommen auf (fast) alles eine Antwort, an welche sich (fast) immer eine Frage anschliesst: kein Wunder ,“… dass in den Kirchen oft anders gesprochen wurde und wird „.
    Vielleicht auch wichtig: „Die eigenen Schattenseiten erkennen… „,
    weiter im von Ihnen zitierten Gebet Jesu,dem „Vater unser „: „… und führe uns nicht in Versuchung …“.
    Der „Versucher“ kennt die Bibel/Schrift besser als jede/r andere.
    Beim Bibellesen “ filtert“ der Leser unwillkürlich das Gelesene mit dem eigenen Bewusstseins-/Kenntnisstand: „… sie hören /sehen und hören/sehen doch nicht … „.
    “ … es m u s s all dies geschehen… !“ – so auch der Suizid der 15- jährigen.
    Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag,
    kh-kaehny@gmx.de

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