Dran bleiben! – 5. Sonntag der Osterzeit B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 15
Jesus sprach:
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer.
2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.
3 Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe.
4 Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.
6 Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.
7 Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.
8 Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.

Autorin:
Margret Schäfer-Krebs
Margret Schäfer – Krebs, Pastoralreferentin,
Leiterin des Referates Liturgische Dienste am Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg – Stuttgart

 
Die Predigt:
Dran bleiben!

Liebe Leserin, lieber Leser,
ohne facebook läuft gar nichts und ohne ein handy erst recht nicht. Immer in Verbindung, immer in Erwartung einer Nachricht, immer dran bleiben. So nehme ich einzelne oder Grüppchen von jungen Leuten auf der Straße, im Bus, in der U – Bahn, im Zug oder irgendwo auf einer Parkbank wahr. Wer nicht in einem social – network ist, verdorrt und wird weggeworfen. Wer online ist, ist zwar nicht automatisch fruchtbar, kann aber vieles in die Welt setzen und so manche Bitte braucht nicht lange auf Antwort warten. Im Netz kommunizieren scheint manchen attraktiver zu sein, als ein vis á vis Gespräch, selbst wenn die Gesprächspartner nur ein paar Meter zueinander hätten.

Dabei sein und dran bleiben, sonst geht gar nichts – so richtig neu ist diese Erfahrung nicht. Auch wenn Johannes, unser heutiger Evangelist, noch Lichtjahre von unseren heutigen Kommunikationsmöglichkeiten und –techniken entfernt ist, er redet bildlich von einer Erfahrung, die sich ähnlich anhört: Wer dran bleibt, hat Teil am Leben und kann Frucht bringen. Besonderes Gewicht gewinnen diese Worte dadurch, dass sie von Jesus gesprochen werden: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. (V5)“ Johannes ordnet dieses so genannte Ich – bin – Wort in die Abschiedsreden Jesu ein, wo es durch Verheißung ermutigt und durch Warnung aufrüttelt. Das Bild vom Weinstock warnt die Christen: Wenn sie die Verbindung mit Christus abreißen lassen, wird ihr Leben in Gottes Augen wertlos. Es wird ihnen aber gleichzeitig verheißen, dass sie viel Frucht bringen, wenn sie mit Christus verbunden bleiben. Ein unmittelbar einleuchtendes Bild für Menschen in schwieriger Situation.

Die Gemeinde des Johannes lebte etliche Jahre nach dem Auftreten des irdischen Jesus. Wo ist er denn, euer Christus? So die spöttische Frage von außen und wohl auch die quälende Frage so mancher Gemeindemitglieder. Und das in einer Situation, die viele in Not brachte. Die jüdische Gemeinschaft, die sich nach der Zerstörung Jerusalems 70 n.Chr. neu formiert hatte, hatte die Christen aus ihrem Kultur- und Traditionsverbund ausgestoßen. Das brachte Zerwürfnisse auch in Sippen und Familien hinein. Dieser verstörten und verunsicherten Gemeinde redet Johannes nicht nur gut zu. Er findet eine Sprache, die Mut, Hoffnung und Vergewisserung gibt: Ihr wisst, dass Gott sich dem Mose im brennenden Dornbusch offenbart hat: Ich bin der „Ich – bin – Da“. Dornen galten als wertloses Gestrüpp und waren ein Zeichen des Fluches. Ausgerechnet darin hat sich Gott geoffenbart. Also gibt es keinen Ort mehr, der nicht durch Gott zum heiligen Boden werden könnte. Jesus greift dieses „Ich – bin“ auf und füllt es neu: ich bin da – jetzt und hier als Licht, als Tür, als Brot, als guter Hirte, als Weinstock. Ich – bin – da in eurem Dornbusch, in eurer verfluchten Situation. Ich bin das Licht – ich lasse euch nicht im Dunkeln. Ich bin das Brot des Lebens – ihr werdet nicht verhungern. Ich bin der Weinstock – ich gebe euch Saft und Kraft.

Mit all diesen Bildern will Johannes eines sagen und bewirken: „Bleibt dran“, hängt nicht ab, lasst euch nicht beirren. – Und mit dem Bild vom Weinstock, setzt er für seine jüdischen Kritiker noch eins drauf. Im Alten Testament wurde Israel als „Weinstock“ bezeichnet. Jesus als Weinstock signalisiert: da tut sich etwas Neues, Jesus ist das neue Israel und die Christen gehören dazu. –

Und wir heute?
Litaneiartig hören sich die Klagelieder an, die von unterschiedlichen Seiten und Richtungen unserer Kirche gesungen werden. Was für die einen Zukunft heißt, ist für die anderen „der Teufel an der Wand“ – und umgekehrt. Und dazwischen ist neben vielem Bemühen und gutem Willen viel Verunsicherung und Resignation. Viele haben zwar noch nicht ab, aber nur noch auf stand – by geschaltet.

Johannes sagt: Dran bleiben, sonst geht gar nichts mehr. Welche Gestalt unsere Kirche haben und bekommen wird, wissen wir heute noch nicht. Aber über das Innenleben kann man wie zu Zeiten der Johannes – Gemeinde sagen: Ohne den Weinstock sind die Reben nicht lebensfähig. Es geht zuerst um diese Verbindung zwischen Weinstock und Rebe. Aus dieser Beziehung bezieht die Rebe ihr Leben.

„Jesus spielt bei mir keine Rolle, er führt Regie“, so las ich unlängst in einem Artikel. Das ist’s! – für mich, für uns hier und für die Kirche. Und wohin führt das, wenn Jesus Regie führt? Johannes nennt es Frucht bringen. Das Bleiben am Weinstock wirkt sich aus, die Verbindung mit Christus ist Lebensbedingung, aber kein Selbstzweck. Weil zwischen Weinstock und Rebe der Saft der Liebe fließt, müssten die Früchte geschmack- und liebevoll sein in welcher Form und Größe auch immer.
Ob sie genügen, entscheiden nicht die anderen Reben sondern der Winzer – Gott sei Dank.

Übrigens gibt es an Weinstöcken, die kultiviert sind, keine männlichen und weiblichen Rebzweige. Es kommt allein auf das Bleiben am Weinstock und auf die Früchte an. Bei diesem Netzwerk ‚Weinstock-Reben’ kann sich jeder und jede anmelden, auch die, die nicht in facebook sind

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten auf Dran bleiben! – 5. Sonntag der Osterzeit B

  1. Klaus Köberlein sagt:

    Vielen(!) Dank für die passende Predigt und die wertvollen Gedanken!

    • claus kilian sagt:

      kein Traubensaft – auch nicht köstlicher Wein – „Saft der Liebe“ ist ein gutes Wort für
      Ich bin in dir und du in mir. Danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 60 = 67

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>