Unser großes Familienfest – Hochfest von Allerheiligen

Zweite Lesung aus dem ersten Johannesbrief, Kapitel 3
Schwestern und Brüder!
1 Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Deshalb erkennt die Welt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.
2 Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes. Doch ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
3 Jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt, heiligt sich, so wie er heilig ist.

Autorin:
Elisabeth Schmitter Elisabeth Schmitter, Pastoralreferentin a.D. in Rottenburg, spricht in Verkündigungssendungen des SWR

 
Die Predigt:
Unser großes Familienfest

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Leserin, lieber Leser,
wie stellen Sie sich einen Menschen vor, von dem man sagen kann, er sei ein ‚Heiliger‘, sie sei eine ‚Heilige‘? Wahrscheinlich als ganz besonders, auf jeden Fall fromm, aber auch mutig, bekenntnisfreudig, vielleicht ein Genie der Nächstenliebe, das wie ein Leuchtturm aus der Masse der Durchschnittsmenschen und Durchschnittschristen herausragt.
So hat man Heilige in der Tradition der Kirche verstanden, und der Heiligenkalender ist fast so was wie das Who-is-who der ‚Superchristen‘.

Wenn wir im Neuen Testament suchen, was unter Heiligkeit zu verstehen ist, dann liest sich das ganz anders. Der Apostel Paulus spricht von den ,Heiligen‘, wenn er die Getauften meint. Für ihn ist selbstverständlich: Alle, die durch die Taufe zu Christus gehören, sind ‚heilig‘. Nicht, dass sie alle perfekte Christen und Christinnen wären. Sie waren auch damals schon so, wie Menschen eben sind, wie sie bis heute sind. Und mit manchen von ihnen hat‘s Paulus auch ganz schön schwer gehabt, und die anderen Mitglieder ihrer Gemeinden auch. Ein Beispiel etwa sind die Zustände in der Gemeinde von Korinth, dort ging es zeitweise drunter und drüber. Die Vornehmen und Wohlhabenden wollten offenbar unter sich bleiben und haben deshalb schon vor dem Gottesdienst standesgemäß getafelt. Sie hätten sich nicht vorstellen können, mit den Armen der Gemeinde, den Sklaven, den Ausländern, den Frauen auf Augenhöhe zu leben und zu feiern. Deshalb muss Paulus in seinen Briefen an die Gemeinde gleichsam auf den Tisch hauen und ein richtiges Donnerwetter veranstalten. Ob es wirklich genützt hat, wissen wir nicht. – Soweit kommt uns alles irgendwie bekannt vor, Menschen eben, die sind, wie sie sind.

Das Erstaunliche ist dabei nur, dass Paulus auch diese Christen und Christinnen als ‚Heilige‘ bezeichnet. Für ihn sind sie ‚Heilige‘, weil sie Getaufte sind. Weil sie in der Taufe sozusagen in die Heiligkeit Gottes getaucht sind, und diese Heiligkeit ist für sie so etwas wie eine zweite Haut.

Heilig werden Menschen eben nicht durch eigene Verdienste. Heiligkeit ist keine Verdienstmedaille, die vorbildlichen Menschen verliehen wird für all das, was sie in ihrem Leben geleistet und hingekriegt haben. Heiligkeit wird von Gott geschenkt, allen, unterschiedslos allen, die das wollen. Im Voraus und umsonst. Gott geht in Vorleistung. Das bringen wir zum Ausdruck, wenn wir Menschen schon als Kinder taufen, bevor sie irgendetwas hätten leisten oder verdienen können. Heiligkeit ist unverdient und unverdienbar, sie kommt von Gott auf uns, weil er uns teilhaben lässt an SEINER Heiligkeit.

Natürlich zeigt sich dieses Zu-Gott-Gehören ganz unterschiedlich im Leben der Getauften. Die einen ragen durch ihr Leben wirklich wie Leuchttürme heraus aus der Geschichte, weil an ihnen sichtbar wird, wie Glauben geht und was es heißt, tatsächlich in der Nachfolge Jesu nach seinem Evangelium zu leben. Aber auch die eher Stillen und Unauffälligen können sehr überzeugende Christen und Christinnen sein und eine große Strahlkraft haben. Die Kirche hat in den Jahrhunderten ganz unterschiedlichen Menschen bescheinigt, dass sie Jesus, ihrem Herrn, exemplarisch und vorbildlich nachgefolgt sind.

Aber auch für die Großen des Glaubens gilt, wie für uns alle: Heiligkeit ist und bleibt ein Geschenk. Ob wir dieses Geschenk auspacken, uns daran freuen und es gleichsam in Gebrauch nehmen – oder es eher unbeachtet in den Schrank legen und quasi mit der Taufurkunde abheften, das unterscheidet uns.

Allerheiligen ist unser großes Familienfest. Das Fest aller, die durch die Taufe in Gottes eigene Heiligkeit hineingenommen sind. Freuen wir uns doch daran, wie groß und verzweigt, wie vielfältig und lebendig diese Familie ist, unsere Familie, die Familie ‚aller Heiligen‘ eben. Und wir mittendrin. Amen.

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