Das Nötige ist die Nähe zu Jesus – 16. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 10
In jener Zeit
38 kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.
39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.

Autorin:
csm_Gabriele_Kraatz_2015-05-13_EBO-MA_137n_fb567737d8Gabriele Kraatz, Dip.Theol., Geistliche Begleiterin und Dekanatsreferentin in Heidenheim

 
Die Predigt:
Das Nötige ist die Nähe zu Jesus

Liebe Leserin, lieber Leser
die Geschichte über das Dreieck Maria-Marta-Jesus ist wie andere auch eine Geschichte mit vielen Folgen, Deutungen insbesondere auf die Rolle von Frauen, die Lebensformen und deren Hierarchie. Maria hat das Bessere gewählt steht noch in der alten Einheitsübersetzung und wurde erst mit der neuen Übersetzung 2018 in: Maria hat den guten Teil gewählt verändert. Diese Übersetzung wurde schon von Luther gewählt und vor ihm von Meister Eckhardt. Es ist eine tragische Sache, dass Dinge von Menschen, in der Regel Männern, in eine Hierarchie von besser und schlechter gebracht werden, die vom Anfang her so gar nicht gemeint sind.

Jesus, Maria und Marta. Ebenfalls wie so oft bringt die Bibel hier ein immer wieder für Streit und Spaltung verantwortliches Gefühl zur Sprache: Die Eifersucht. Tatsächlich haben viele diese Situation nur dahin gedeutet, was nun das Bessere – für Frauen – ist: die Haus-Arbeit oder das meditative Sitzen bei Jesus. Auch Maria und Marta rangen dadurch über Jahrhunderte um den Vorrang der einen über die andere. Aber ob sich Jesus auf solche Diskurse einließe? Wohl nicht.

Worum es hier geht ist die Nähe zu Jesus. Und wir kennen alle diese Situation. Wer ist näher beim „Geliebten“, „Geachteten“, bei der „Lehrerin“, wer wird von ihm (!) vorgezogen, mehr angesehen, auserwählt. Martha müht sich, sie tut es für Jesus, sie dient. Sie sieht aber, dass Maria „einfach“ dasitzt –zuhört, wie die Jünger (männlich, Plural), und fühlt sich zurückgesetzt. Denn natürlich wird Maria im Gespräch zwangsläufig häufiger „angesehen“, ist im direkten Kontakt näher und sichtbarer bei und mit ihm. Marta spürt dieses nagende Gefühl der unsichtbaren, hart arbeitenden Frau, setzt sich aber auch nicht einfach hinzu – schließlich ist sie die Herrin, Gastgeberin im Haus. Von daher pocht sie auf die traditionelle weibliche Rolle des Helfens – und möchte sie – vielleicht ein Hintergedanke! – aus der scheinbar engeren Beziehung zu Jesus rausziehen. Maria ihrerseits mag vielleicht gar nicht einsehen, warum sie gerade jetzt ihrer Schwester helfen soll – solch eine Gelegenheit kommt schließlich nicht jeden Tag. Jesus ist ihr in diesem Moment wichtiger und näher als ihre Schwester – und auch das sieht Marta. Maria und Jesus im innigen Gespräch und Martha am Kochtopf. Und so beginnt der Reigen der Eifersucht und des Stolzes und der Wettlauf um die Zuneigung Jesu zwischen den zwei Frauen.

Gehen wir davon aus, dass Jesus beide liebt und wertschätzt, auch diesen Konflikt bemerkt und – entgegen den Männern in den sonstigen Geschichten – einen Weg sucht, beiden seine Wertschätzung zu zeigen, dennoch ohne Kränkung seine Sicht der Dinge „an die Frau“ zu bringen.

Meistens unterlegen wir geschriebene Worte mit einem innerlich gehörten „Ton“ der Deutung. Hilfreich ist hier ein Aspekt der Lectio divina: Den Satz in ganz unterschiedlicher Weise laut zu lesen und unterschiedlich zu betonen! Und da ergibt sich eine Lesart der Worte Jesu, die mit feinfühliger Tonart Marta zu verstehen gibt, dass er sie sieht und wertschätzt, was sie tut: „Du mühst Dich auf vielerlei Art, du tust es für mich, das weiß ich und sehe Dich. Danke!“. Er setzt dann dem vielen an Mühe das Eine Nötige nicht entgegen, sondern dazu bzw. darunter. „Vieles ist möglich, nur eines ist nötig“, könnten wir sagen. Und an eben diesen leisen Hinweis schließt Jesus an: Maria hat den guten Teil gewählt. Da entsteht eine Lücke, da hat man das Gefühl, Jesus macht vorher eine Pause. Er möchte uns dieses Offene des Ungesagten, des gerade Nicht -Vergleichens zumuten – ist nun der gute Teil das Bessere? Was ist das Eine Nötige? -, es Marta überlassen.

Er sagt ausdrücklich NICHT, was der gute Teil ist, er sagt nicht „Maria hat das Bessere gewählt“. Warum nicht? Weil er Martha frei lässt, in ihrer Wahl zu handeln: Natürlich kann man Nähe zu Gott auch „im Kochtopf“ finden (vgl. Theresa von Avila) und Jesus nahe sein. Aber das muss Martha selbst herausfinden. Eifersucht ist das Gefühl, welches sie von ihrer Konzentration und Aufmerksamkeit wegbringt, zerteilt und Gemeinschaft stört. Martha kann sich durch das Gefühl nicht mehr einzig ihrem Dienst widmen, ihre Aufmerksamkeit auf Jesus richten und auf ihre Art ihm nahe sein. Sie gleitet ab zu ihrer Schwester und der Rivalität um ihn.

Bei Maria ist es offensichtlich, wie sie die Nähe Jesu sucht, davon wird sie auch nicht vertrieben. Sie braucht die körperliche Nähe Jesus, sucht und lebt sie. Ob sie die bleibende, innere Nähe findet, wie sie sich nach diesem Zusammensein fühlt, wissen wir nicht. Martha wird von Jesus gesehen, ob sie in ihrem Dienst an ihm die innere Nähe findet, ohne sich ablenken zu lassen, muss sie selbst entscheiden…auch das wissen wir nicht. Jedenfalls zieht Jesus sie aus der Eifersüchtelei heraus und richtet ihren Blick auf das Wesentlich: Die Nähe – das Nötige – zu ihm, indem sie sich auf ihn durch ihre Arbeit konzentriert. Die Nähe hängt nicht am äußerlichen Tun – weder an der Arbeit für ihn noch am Sitzen bei ihm, sondern an der inneren Anbindung.

Marta sind wir – wir können uns nicht zu Füßen Jesu setzen. Leider. Ob und wie wir in unserem täglichen Wahnsinn die innere Nähe zu Jesus sichern, wie wir immer wieder Zeiten finden, doch innerlich zu seinen Füßen zu sitzen, ihm im Tun begegnen und unser Leben daraus gestalten…, das müssen wir entscheiden. Das ist nicht leicht, aber unser „tägliches Mühen“ um die Nähe zu Jesus ist das Nötige auch für uns.

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2 Antworten auf Das Nötige ist die Nähe zu Jesus – 16. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Lydia sagt:

    Interessante Gedanken- zum Nach- und Weiterdenken.
    DANKE

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