Was braucht meine Seele? – 18. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 12
In jener Zeit
13 bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen.
14 Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt?
15 Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt.
16 Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte.
17 Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte.
18 Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen.
19 Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue!
20 Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?
21 So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.

Autorin:
Utta-Hahn-2-150x150Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Predigt
Was braucht meine Seele?

Liebe Leserin, lieber Leser,

– die Seele, der Narr, sammeln und anhäufen –
das sind die Worte, die mir beim Betrachten des Evangeliums am stärksten entgegengekommen sind.

Warum ist hier die Seele genannt, die essen und trinken, sich ausruhen und sich freuen soll?
Was macht den Menschen zum Narren?
Was lohnt es sich, anzuhäufen und zu sammeln?

Lukas erzählt
Gerne lade ich Sie ein, sich die Szene, die Lukas uns hier erzählt, vorzustellen:
Das römisch-besetzte Palästina zur Zeit Jesu. Jesus, ein Wanderprediger aus einfachem Haus, in ländlicher Umgebung aufgewachsen. Vertraut mit den Abläufen des Säens und Erntens, einfacher Handwerkstätigkeit, der Abhängigkeit von Witterung, guter Ernte und den Steuereintreibern der Besatzungsmacht. Vertraut mit dem Leben in Großfamilien, die Heimat und Halt geben und die verlässlichste Größe im Leben jedes Menschen war.

Dieser Jesus, der mit Freunden und den Erfahrungen seines Glaubens neue Wege geht, den Menschen von Gott erzählt, von einem Gott, der jede und jeden ernst nimmt, annimmt und ihr und ihm das eigene Leben zutraut und zumutet. Dieser Jesus, der sich getragen und inspiriert weiß und den die Leute hören wollen und von dem sie Antworten erwarten.

Also Jesus ist mit Freunden unterwegs und wird angesprochen, sich zu einem Konfliktfall um Erbstreitigkeiten zu äußern. Wir können uns vorstellen, dass viele dabeistanden und die Frage spannend fanden und vielleicht auch gespannt waren, was Jesus wohl erwidern würde.

Jesus greift die Frage auf, um an ihr eine andere Einsicht zu vermitteln. Er geht nicht auf die Streitfrage ein, wer nun wie Recht hat, sondern erzählt eine Geschichte.

Jesus nimmt eine Situation, die nicht erklärt werden muss. Jede und jeder wusste, wie wichtig eine gute Ernte für das Überleben war. Die Zuhörer*innen fanden die Überlegungen des Mannes in der Geschichte sicher sehr einleuchtend und gut nachvollziehbar. Umso überraschender, dass dieses Verhalten dann am Ende in die Sackgasse führt und als Irrweg entlarvt wird.

Das ist wie ein Knaller und unweigerlich versuchen wir zu verstehen, an welcher Stelle denn die offenbar falsche gedankliche Abzweigung genommen wurde.

Was ist denn wichtig?
So führt Jesus seine Zuhörer*innen dahin, über eine ganz grundlegende Haltung und Frage des Lebens nachzudenken:
Was braucht denn die Seele, dass sie sich freut, dass sie Ruhe findet und keinen Hunger und Durst mehr hat?
Was häufen wir, was häufe ich an und welche Vorräte sammle ich?
Was ist denn wichtig angesichts unserer Endlichkeit?

Ich lade Sie ein, diesen Fragen doch selbst erst ein wenig nachzuspüren, bevor Sie weiterlesen.
Bleiben Sie bei sich und Ihrer eigenen Seele.
Treten Sie in Kontakt mit ihrem Hunger und ihrem Durst.
Spüren Sie ihren eigenen Schätzen nach, die sie bei Gott reich machen.
Und wenn Sie dann trotzdem noch neugierig sind, dann teile ich gerne die folgenden Gedanken mit Ihnen.

Die Haltung Jesu
Die Frohe Botschaft Jesu, seine Predigt, sein Leben, das ist keine Lehre, kein Dogma, keine „Meinung“ sondern eine Haltung, eine Begegnung, Beziehung und so kann ich dieses Evangelium auch als Einladung zu einer bestimmten Haltung lesen.

Hunger und Durst kennt der Leib, kennt die Seele, kenne ich als Mensch, als ganzer Mensch. Der Alltag mit Arbeit und Sorge ums Überleben, die Arbeit, die sozialen Beziehungen, die Umwelt, die Gesellschaft, die Missstände in der Welt, die Gewalt und die Ungerechtigkeit, die Angst um und vor der Zukunft. All das beunruhigt mich. All das kann mich in eine äußere und innere Rastlosigkeit und Unruhe führen. Und Erschöpfung kann sich äußerlich und innerlich ausbreiten.

Und die Freude – auch die ist ganzheitlich.
Ein tolles Fest mit lieben Menschen, eine tiefe und innige Freundschaft, Glücksmomente mit dem Partner oder der Partnerin oder in der Natur, Erfolg nach einer Anstrengung, Momente der Stille – können uns mit tiefer Freude erfüllen. Einer Freude, die unsere Seele spürt, die uns als ganze Menschen erfüllt.

Dagegen lese ich im Bild des Narren einen Menschen, der Hunger und Durst, Ruhe und Freude nur als machbare und planbare Lebenszeit sieht.

Jesus möchte uns nicht weg von schönen Festen, guten Vorräten und, weil gerade aktuell, erholsamen Wellnesswochen führen, aber er eröffnet uns die Chance, darin und dahinter ein stilleres, ein tieferes und ein nachhaltigeres Leben zu entdecken.

Die Haltung Jesu schaut umgekehrt.
Wieviel tut mir gut?
Wieviel von allem tut der Welt – dem Klima – der Zukunft – der Natur gut?
Wer ist an meiner Ernte eigentlich wirklich beteiligt?
Sind das meine Vorräte oder unsere und was ist mit meiner Verantwortung?
Kann das, was ich habe mich zu mehr Freiheit und Engagement für die Welt und die Menschen führen?
Wo finde ich Ruhe und Glück, das anhält, weil es über mich und mein Leben hinausweist – in einer Geborgenheit in Gott verankert ist?
Und gerne denke ich an den Satz, den Frere Roger, der Gründer von Taizé gesagt hast – Lebe das, was du verstanden hast.

Meiner Seele nachspüren
Bei allem was ich tue, kann ich meiner Seele nachspüren.
Das entschleunigt, das macht sensibel, das macht achtsam und aufmerksam. Bei allem was mir wichtig ist und was ich tue, kann ich nach dem MEHR-WERT vor Gott fragen. Macht das meine Beziehungen lebendiger, tiefer, glücklicher? Und mit Sicherheit würde Jesus heute fragen: Erhält das, was du tust auch den Planeten, das Klima?

Ich muss nicht die ganze Welt retten, aber wir können auch uns selbst nicht retten, wenn wir nicht offen werden und die anderen Menschen, die Natur und die Welt in unsere Überlegungen und Entscheidungen miteinbeziehen.

Ein Taizélied hat den Text::
Mon âme se repose en paix sur Dieu seul, de lui vient mon salut.
Oui sur Dieu seul mon âme se repose, se repose en paix.
deutsch: Meine Seele findet Ruhe allein in Gott, von ihm kommt mein Heil.

Die deutsche, singbare Übertragung lautet:
Bei Gott bin ich geborgen, still wie ein Kind, bei ihm ist Trost und Heil. Ja, hin zu Gott verzehrt sich meine Seele, kehrt in Frieden ein.

Zum Nachhören…

So wünsche ich allen, die mit Urlaub ihrer Seele etwas Gutes tun wollen, dass sie die Seele ein wenig baumeln lassen können und Einklang finden.
Amen.
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zum Weiterlesen: Reinhard Körner: Jesus für Kleinbauern und solche, die es werden wollen, Vier Türme Verlag, Münsterschwarzach

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Eine Antwort auf Was braucht meine Seele? – 18. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Birgit Droesser sagt:

    Walburga Rüttenauer-Rest sagt:
    „Diese Auslegung tut mir gut. Besonders der Satz:Ich brauche nicht die
    Welt retten, erleichtert mich, vor allem in dem Zusammenhang, dass wir
    nicht horten sollen. Nein genau das Gegenteil sollen wir leben, denn der
    Verzicht auf den Überfluss kann unsere Erde vielleicht noch retten.“

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