Maria von Bethanien und Maria von Magdala – 16. Sonntag im Jahreskreis C

Der Gedenktag der heiligen Maria Magdalena am 22. Juli wird seit wenigen Jahren in der ganzen römisch-katholischen Kirche als Fest begangen. Ihre liturgische Gleichstellung mit den Aposteln durch das Dekret „Apostola Apostolorum“ erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus. (Zeitschrift Magnificat)
Der Auftrag des auferstandenen Christus an Maria von Magdala: Geh und verkünde … ist das Motto für diesen Blog mit Frauenpredigten. Damit noch mehr Leserinnen und Leser davon erfahren, haben wir eine Sammlung von Predigten in einem E-Book zusammengestellt, das Sie oben herunterladen können.
Im Predigtteil auf dieser Seite finden Sie eine Zusammenstellung der Predigten zum heutigen Evangelium und zu Maria von Magdala. Alle Texte sind im Archiv zu finden.
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Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 10
In jener Zeit
38 kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.
39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen, jetzt Pfarrgemeinderätin in St. Bruno, Würzburg

 
Die Predigt:
Maria von Bethanien und Maria von Magdala

Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn wir heute über die Schwestern Maria und Martha einerseits und Maria von Magdala andererseits nachdenken, dann geschieht das im Rahmen des Aufbruchs von Frauen in der katholischen Kirche unter dem Stichwort „Maria 2.0“. Man mag die Bezeichnung mehr oder weniger gelungen finden; sie ist aus dem digitalen Bereich entlehnt und bedeutet eine neue Stufe der Entwicklung gegenüber 1.0. Ich verstehe es so, dass Frauen ein Bewusstsein entwickelt haben, das kein Zurück mehr zulässt.

1.0 bezeichnet das Verhalten von Frauen im Modus der Marta. Wir kennen das: bis heute kümmern sich Frauen so gut wie um alles. Nichts läuft ohne sie als Familienmanagerinnen; nichts läuft in den Kirchengemeinden ohne ihre beständige Arbeit in allen Bereichen. Als „Martas“ werden Frauen in der Kirche hoch geschätzt. Es wurde immer hervorgehoben, ihr Dienst sei ebenso wichtig wie das Amt. Zu dienen und sich unterzuordnen, galt oft als das spezifisch Weibliche.

Ein Blick in das Evangelium von heute zeigt uns, dass dies nicht die Sichtweise und nicht der Ansatz von Jesus war. Und genau darum, seinen Willen heraus zu finden, muss es der Kirche doch eigentlich gehen. Deshalb steht im Vorwort zu diesem Blog der Satz: „Obwohl es der Katholischen Kirche sehr wichtig ist, ihre Ämter und Strukturen an die apostolische Zeit zurück zu binden, hat sie aus dem Umgang Jesu mit den Frauen und seinem Auftrag an sie keine bleibenden Konsequenzen gezogen.“

Gleichberechtigung?
Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist ein ganz wichtiges Thema, das in Deutschland im Grundgesetz verankert ist und als Ziel gesellschaftlichen Handelns in allen Bereichen benannt wird (GG Artikel 3, Absatz 3). Deshalb stellt sich die katholische Kirche mit dem Ausschluss von Frauen aus dem Bereich des Amtes und der Verkündigung in der Predigt immer mehr selbst ins Abseits. Die Austrittszahlen sprechen auch dazu eine deutliche Sprache. Und doch ist die Gleichberechtigung für Christinnen nicht der eigentliche Grund. Es geht um noch Wesentlicheres, das Kirchenführer sehr beunruhigen sollte. Es geht um Berufung!

Berufung zu einem kirchlichen Dienst
Welche Frau, die Familienerfahrung, Lebenserfahrung und Berufserfahrung hinter sich hat, stellt sich einem dreijährigen Ausbildungskurs zur katholischen Diakonin, wie es schon zweimal geschehen ist (s. auch www.diakonat.de), noch dazu ohne Aussicht auf kirchliche Anerkennung, wenn sie sich nicht dazu berufen weiß? Es drängt ganz offenkundig Frauen zum kirchlichen Handeln, aber ihre Berufung durch Christus wird von der Kirche nicht angenommen. Wie oft habe ich den Satz gehört, eine echte Berufung sei nur das, was die Kirche als solche anerkennt. Das betrifft genauso verheiratete Priester, die gerne ihr Amt weiter ausüben würden. Im Umgang mit Berufungen zu Diensten und Ämtern müssen sich die leitenden Amtsträger der Kirche im Grunde schwer wiegenden Gewissensfragen stellen. Wenn Menschen sich berufen wissen, die nicht ins kirchliche Schema aus Tradition und Dogmatik passen, in großer Zahl und über lange Zeit, kann man das dann mit einem Hinweis auf angeblich nicht überzeugende historische Belege oder andere Begründungen abtun, ohne sich an den Menschen und Gott gegenüber schuldig zu machen? Die Antwort kann nur Nein lauten.

Ganz anders Jesus
Angela Repka hat in ihrer Predigt „Das gute Teil gewählt“ ausgeführt, wie revolutionär, und vielleicht peinlich für Marta, sich Jesus gegenüber Maria verhalten hat. Er ließ sie zu seinen Füßen sitzen und lehrte sie.
„Sie nimmt damit nämlich die Haltung eines Rabbiner-Schülers ein, was ausschließlich männlichen Mitgliedern der jüdischen Glaubensgemeinschaft vorbehalten war. Frauen sollten nicht in die Thora eingeführt werden. Was Maria da machte, musste also höchst anstößig und aufdringlich wirken. Könnte es sein, dass Marta damals nur einen Vorwand suchte, um ihren Gast, den Wanderprediger und Rabbi Jesus, aus einer peinlichen Situation zu befreien, wobei sie nicht scheute, selbst peinlich zu erscheinen?
Wie dem auch sei, die Antwort Jesu macht klar, dass der Freund die Situation völlig anders sieht, dass er den Tabubruch der jungen Frau nicht nur duldet, sondern sogar gutheißt, womit auch er seinerseits gegen die geltenden Regeln und Sitten verstößt. Mit seinem Ausspruch „Maria hat das gute Teil gewählt“ benutzt er – das habe ich vor kurzem erfahren – eine jüdische Redewendung, die einem Mann gilt, der sich auf den Beruf des Rabbiners vorbereitet. Rabbi Jesus stärkt also Maria den Rücken und ermutigt sie, auf dem von ihr eingeschlagenen geistlichen Weg weiterzugehen und beengende Rollenbilder hinter sich zu lassen. Ihr neuer Weg mit Gott, den sie in der Begegnung mit Jesus entdeckt hat, soll ihr durch nichts verwehrt werden.
So betrachtet, gewinnt diese Textstelle eine ungeheure Sprengkraft, denn Jesus wirft nicht nur die Tische der Händler um, die aus dem Tempel einen Basar machen, er fegt auch die traditionellen Rollenbilder hinweg, wenn sie sich überholt haben und Gottes Plan im Weg stehen. Marta wird zunächst sprachlos, ja sogar schockiert gewesen sein. Aber dann hat sie die befreiende Botschaft Jesu verstanden.“ (Angela Repka)

Rabbiner-Schülerin Maria Magdalena
Maria von Magdala, deren Fest morgen am 22. Juli gefeiert wird, hat ganz sicher oft zu Füßen ihres Meisters gesessen. Sie war nach dem Zeugnis aller vier synoptischen Evangelien die führende Persönlichkeit im Kreis der Frauen, die Jesus als Jüngerinnen gefolgt sind (Lukas 8,1 – 3). Sie war der erste Mensch, dem sich der Auferstandene gezeigt und offenbart hat, und bei dieser Begegnung sprach sie Christus in der Erzählung ganz spontan als „Rabbuni“ an. Rabbuni heißt Lehrer. (Johannesev. 20,16) Daraus können wir mit Sicherheit schließen, dass die Jüngerinnen ebenso wie die Jünger in die Lehre Jesu einbezogen waren. Und Maria Magdalena wird von Christus beauftragt, die Botschaft von der Auferstehung den Geschwistern und damit der Welt zu verkünden. Was kann es Größeres geben?

Frauen und Männer
In den Apostelkreis hat Jesus 12 Männer berufen, von denen einige noch nach der Auferstehung fragen: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?(Apostelgeschichte Kapitel 1). Daran können wir sehen, dass die Auswahl der Apostel im Hinblick auf die Wiedererrichtung des Reiches Israel erfolgt ist, wobei, der damaligen Zeit geschuldet, nur Männer als Anführer der 12 Stämme denkbar waren. Dieses Argument taugt also nicht dazu, den Ausschluss der Frauen von kirchlichen Ämtern zu begründen.

Wer noch immer an der Richtigkeit dieses Ansatzes zweifeln mag, dass Jesus keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern hinsichtlich ihrer Berufung in die Gemeinschaft der Christen gemacht hat, dem sei der schmale Band aus dem Jahr 1977 empfohlen: Karl Hermann Schelkle, Der Geist und die Braut. Der Autor war Priester und Professor für Neues Testament, absolut unverdächtig, Feminist oder Gendertheoretiker zu sein.

Berufen zu verkünden
Wir Theologinnen fühlen uns gedrängt und berufen, unsere Sicht der biblischen Botschaft darzulegen. Von unserer Kirche wird unser Wort bisher nicht gewollt. Deshalb haben wir in diesem Blog einen Weg gefunden, wie wir das leben können, wozu wir uns beauftragt wissen. Wir hoffen, dass wir viele Menschen erreichen, manche zum Nachdenken und vielleicht Umdenken bringen, und unserer Kirche damit einen Dienst erweisen. Denn jede und jeder kann in über 500 Predigten lesen, was wir Frauen zu sagen haben. Amen
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Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) startet am Sonntag die Aktion „Maria, schweige nicht!“ Sie knüpft damit an die Initiative „Maria 2.0“ an
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Im Folgenden finden Sie eine Zusammenstellung der Texte, die in diesem Blog schon vorhanden sind:
Predigten zu Maria und Marta in diesem Blog:
Elisabeth Schmitter, Die Tüchtigste im ganzen Land, 27. Juli 2018
Angela Repka, Das gute Teil gewählt, 13. Juli 2016
Jutta Schnitzler-Forster, Entscheide dich, 19. Juli 2013
Predigten zu Maria von Magdala
Maria Sinz, Das Geheimnis von Tod und Leben, 30. März 2018
Andrea Trautmann, Suche nach dem Lebendigen, 22. Juli 2017
Sigrid Haas, Hört auf die Frauen …, 13. April 2017
Walburga Rüttenauer-Rest, … und glaubten ihnen nicht, 26. März 2016
Walburga Rüttenauer-Rest, Geh und verkünde, 21. Juli 2015
Elisabeth Dörrer-Bernhardt, Maria Magdalena ermutigt uns, „trotz allem“ Christus zu bezeugen, 17. Juli 2014
Birgit Droesser, Geheimnis des Glaubens, 30. März 2013
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siehe auch eine Dialogpredigt von Maria Magdalena und Martha im Internet, Autorinnen: Gertrud Jansen und Angelika Fromm

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4 Antworten auf Maria von Bethanien und Maria von Magdala – 16. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Sigrid sagt:

    3. Versuch meinen Kommentar zu posten

    Direktlinks

    Maria und Marta

    Elisabeth Schmitter, Die Tüchtigste im ganzen Land, http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=6675

    Angela Repka, Das gute Teil gewählt,
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=5193

    Jutta Schnitzler-Forster, Entscheide dich
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=2379

    Maria von Magdala

    Maria Sinz, Das Geheimnis von Tod und Leben
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=6452

    Andrea Trautmann, Suche nach dem Lebendigen
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=5986

    Hört auf die Frauen, Sigrid Haas
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=5741

    Walburga Rüttenauer-Rest, … und glaubten ihnen nicht
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=4711

    Walburga Rüttenauer-Rest, Geh und verkünde
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=4239

    Elisabeth Dörrer-Bernhardt, Maria Magdalena ermutigt uns, „trotz allem“ Christus zu bezeugen
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=3314

    Birgit Droesser, Geheimnis des Glaubens
    http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=2051

  2. clara a sancta abraham sagt:

    Danke Frau Droesser für das Wort Martha Mit, es hat mich zu Folgendem angeregt:
    Zum heutigen Evangelium:
    „Wer hat das Bessere gewählt?“

    Maria Zeiten
    schweigend zu Füßen des Herrn
    den Frieden darin finden
    einfach so von Ihm beschenkt zu werden.

    Marta Zeiten
    tätig zu Füßen des Herrn
    den Frieden darin finden
    Ihm zu dienen, Ihn zu beschenken.

    In den Maria Zeiten
    die Kraft für die Marta Zeiten
    in unserem Leben
    geschenkt bekommen.

    „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“
    So steht es beim Evangelisten Lukas (10,27).

    Wir wünschen Euch erholsame Sommertage,
    Maria Zeiten,
    genießt sie,
    um Kraft zu tanken
    für die Marta Zeiten
    in Eurem Leben.

    gerne

    • clara a sancta abraham sagt:

      Marta Not heißt es natürlich…

      Veröffentlichung für meine Pfarre,
      gilt natürlich allen Mitlesenden.☀️

  3. Maria Sinz sagt:

    …ein Bewusstsein, das kein Zurück mehr zulässt…
    Vielen Dank für diese Predigt.

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