Die Hoffnung stirbt nicht – 5. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 5
1 Es geschah aber: Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret
2 und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
3 Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
4 Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
5 Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.
6 Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen .
7 Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
8 Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!
9 Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten;
10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen, jetzt Pfarrgemeinderätin in St. Bruno, Würzburg

 
Die Predigt:
Die Hoffnung stirbt nicht

Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn wir heute in der Eucharistiefeier dieses Evangelium hören, können wir die Nachrichten der letzten Tage aus unserer Kirche nicht ausblenden. Das schreckliche Problem des Missbrauchs hat dadurch, dass jetzt auch der Missbrauch an Ordensfrauen aufgedeckt wird, und durch die bevorstehende Bischofssynode an Wucht zugenommen, der wir uns alle stellen müssen. Es gibt einen offenen Brief an Kardinal Marx mit glasklaren Forderungen und ein vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnetes Gespräch zwischen Doris Wagner und Kardinal Schönborn, das zu Recht großes Aufsehen erregt. (siehe Anhang)

Das Evangelium von der Berufung der Jünger am See Gennesaret spricht den tiefen Kern unseres Christseins an. Wir alle sind durch die Taufe berufen, unser Leben auf sein Wort hin zu gestalten. Niemand kann das aus sich selbst. Wir verdanken es der heiligen Geistkraft, dass wir spüren und erkennen, was von Gott her unser Auftrag in unserem einmaligen Leben ist, und wie wir unsere Fähigkeiten und Talente, die jeder Mensch hat, entwickeln und für die Gemeinschaft einbringen können und sollen. Denn es braucht dazu Kreativität, Kraft, Mut und Durchhaltevermögen und nicht zuletzt Selbstkritik. Oft stoßen wir an die eigenen Grenzen, ganz besonders wenn wir in einer Suchtproblematik, in schwierigen Beziehungen oder in einer eintönigen Arbeit bestehen müssen. Immer wieder sind wir aufgerufen wie Simon Petrus, auf das Wort Jesu hin neu zu beginnen, auch wenn alles aussichtslos erscheint. Deshalb ist es auch unser Auftrag, für die Kirche einzutreten und unsere Stimme einzubringen.

Es ist sehr wichtig, dass wir uns zuerst unsere eigene Berufung bewusst machen. Durch die Taufe sind wir Glieder des Volkes Gottes. Sie ist das Grundsakrament, das uns mit Jesus unauslöschlich verbindet, der bei seiner Taufe durch Johannes sein eigenes Berufungserlebnis hatte. Auch ein Austritt aus der Kirche kann daran nichts ändern. In der Taufe stellt sich Gott selbst in Christus an unsere Seite, ein Leben lang.

Erst dann, von der Berufung in der Taufe abgeleitet, können wir überhaupt von der Berufung zu einem besonderen Leben in der Christusnachfolge im Weiheamt oder im Ordensleben nach den „evangelischen Räten“ Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam sprechen. Und da kann nichts mehr so bleiben, wie es ist. Es ist das den Männern vorbehaltene Weiheamt als Diakon, Priester und Bischof, das sich jetzt in seiner ganzen Fragwürdigkeit und Brüchigkeit zeigt. Denn es hat sich über die Jahrhunderte ein Machtsystem entwickelt, in das die Amtsträger selbst hineinverstrickt sind. Das Gefälle von Oben und Unten, von denen, die das Sagen haben und denen, die letztlich nichts in der Kirche zu sagen haben, zwischen Amtsträgern und Kirchenvolk, zwischen Männern und Frauen muss endlich überwunden werden.

Vor wenigen Tagen hat der Bayerische Rundfunk ein Sendung ausgestrahlt mit dem Titel „Eine Frau kämpft um Aufklärung“. Der Hintergrund: Doris Wagner wurde als junge Ordensfrau von einem Priester vergewaltigt und hat ihre Geschichte in zwei Büchern öffentlich gemacht. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn war davon so beeindruckt, dass er sich zu einem Gespräch mit Frau Wagner treffen wollte, und dieses wurde in der Sendung aufgezeichnet. Alle, die die Möglichkeit dazu haben, sollten diese Sendung unbedingt sehen, denn beiden Personen gebührt der allerhöchste Respekt für diese bisher einmalige offene, sensible und wertschätzende Aussprache. Erstmals können wir erkennen, worum es bei dem Missbrauchsproblem im Kern geht, nämlich um die Ausübung von Macht gegenüber Untergebenen, und wie das die Sinne von Menschen vernebeln kann. Zu dem Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen sagt Kardinal Schönborn: „Die Frauenfrage ist eines der großen Zeichen der Zeit.“ In großer Freimütigkeit zeigen beide Personen ihre Verletzlichkeit und dabei macht der Kardinal auch unfreiwillig deutlich, wie das Verständnis der Kirchenleitung immer noch mehr den Tätern als den Opfern gilt. Frau Wagner spricht das direkt an und der Kardinal gibt es zu. Grausame und unvorstellbare Vorfälle kommen zutage. Ganz erschreckend spricht der Kardinal auch aus, dass es in großen Teilen der Kirche unter den Amtsträgern überhaupt kein Unrechtsbewusstsein gibt. Die Ende Februar bevorstehende Synode habe zunächst das Ziel, a l l e n Leitern der Bischofskonferenzen klarzumachen, dass es sich bei Missbrauch um ein Unrecht, ja ein Verbrechen, handelt. So weit ist also der Weg! Und deshalb sind keine großen Schritte zu erwarten.

Wäre da nicht die Hoffnung auf die heilige Geistkraft Christi. „Die Hoffnung stirbt nicht.“ Das ist ein zentraler Satz des Kardinals in der genannten Sendung. Die Schutzbehauptungen der Vergangenheit und leider auch noch der Gegenwart: In der Treue zu Christus sei die Kirche nicht berechtigt, Frauen zu weihen – als Lebensform Jesu sei der verpflichtende Zölibat für Priester ein Geschenk an die Kirche – nur ein Mann könne Christus in der Eucharistiefeier repräsentieren… lösen sich jetzt, durch das Kirchenbeben, in Windhauch auf. Vielleicht geschieht es ja wieder wie am Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, als die Synodenväter die wohl vorbereiteten, harmlosen Texte in den Papierkorb warfen und begannen, ganz neu zu denken. Wie die Missstände der Kirche im Mittelalter Martin Luther, die Reformatorinnen und Reformatoren auf den Plan gerufen haben, so schreien die vielen Opfer heute nach einer zweiten Reformation der Kirche, die alle von Christus berufenen Menschen auf Augenhöhe zueinander bringt: Erwachsene und Kinder, Frauen und Männer.

Es geht jetzt um die Zukunft der Kirche. Lasst uns inständig für ihre Erneuerung beten, wobei wir immer auch selbst als Berufene angesprochen sind. Amen.
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BR (Bayerischer Rundfunk) Mediathek vom 6.2.2019: Eine Frau kämpft um Aufklärung – Gespräch von Doris Wagner mit Kardinal Christoph Schönborn
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03.02.2019, 12.00 Uhr: ergänzt um die Namen aller Unterzeichner.
Katholisch.de dokumentiert im Wortlaut den Offenen Brief an Kardinal Reinhard Marx

Lieber Herr Kardinal Marx,
der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen durch katholische Kleriker und die Versuche im Verantwortungsbereich der Bischöfe, solche Taten zu vertuschen, haben viel Unheil in das Leben der Betroffenen gebracht und im weiten Umkreis den Glauben von katholischen Christen erschüttert. Ende Februar werden die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen mit Papst Franziskus über die Krise beraten und Vorkehrungen treffen, dass Schutzbefohlene in Zukunft geschützt werden und nicht geschädigt. Das ist dringend notwendig. Menschen dürfen nicht in der Kirche den Guten Hirten suchen und dabei unter die Wölfe kommen.
Wir bitten Sie darum, in Rom freimütig den wichtigsten Ertrag der MHG-Studie zur Sprache zu bringen: Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungs- und Reifungsprozesse.
Die deutschen Bischöfe sind seit 2010 mit der Prävention und Sanktion von Missbrauchstaten gut vorangekommen. Sie haben nach der Veröffentlichung der MHG-Studie im September 2018 Betroffenheit zum Ausdruck gebracht und Abbitte geleistet. Aber sie wissen auch, dass Worte allein jetzt nicht mehr weiterhelfen. Der Eindruck, es solle am Ende doch alles beim Alten bleiben, hat das Misstrauen gegen die Amtskirche bei vielen Zeitgenossen zementiert. Und anders als früher macht das Misstrauen an den Türen der Kirche nicht halt.
Die aktiven Katholiken in Deutschland tragen in ihrer großen Mehrheit die vormoderne Ordnung der Kirche nicht mehr mit. Sie ertragen sie nur noch. Und jedes Jahr sind es Zigtausende, die die Last abwerfen und austreten.
Manche Verantwortliche wiegeln ab und sagen: Die Skandale sind nicht alles. Die Medien bauschen das auf. Die Hauptsache ist das normale Leben in den Gemeinden und Einrichtungen der Kirche. Es stimmt – da wird von Berufs wegen und ehrenamtlich Tag für Tag viel Gutes getan. Aber gerade dort hat sich tiefe Enttäuschung breitgemacht. Die Sonne der Gerechtigkeit kommt nicht mehr durch. Unter einem bleiernen Himmel verkümmert die Freude am Glauben.
Wir appellieren deshalb an unsere Bischöfe: Vertrauen Sie dem Glaubenssinn Ihrer Gläubigen, und gewinnen Sie der Kirche Wahrhaftigkeit und Weite zurück, ohne die das Evangelium nicht atmen kann! Nehmen Sie Ihre geistliche Vollmacht für mutige Reformen in Anspruch: Binden Sie sich selbst durch echte Gewaltenteilung – das passt besser zur Demut Christi und in den Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Bauen Sie die Überhöhungen des Weiheamtes ab, und öffnen Sie es für Frauen. Stellen Sie den Diözesanpriestern die Wahl ihrer Lebensform frei, damit der Zölibat wieder glaubwürdig auf das Himmelreich verweisen kann. Hören Sie auf das Zeugnis der Bibel und auf die Erfahrungen von Gläubigen, und machen Sie einen Neustart mit der Sexualmoral – eine verständige und gerechte Bewertung von Homosexualität inklusive.
Lieber Herr Vorsitzender, liebe Herren Bischöfe – Sie können mit uns rechnen. Wenn Sie sich an die Spitze der Reformbewegung setzen, haben Sie uns entschlossen hinter sich. Aber wir zählen auch auf Sie. Die Bischöfe haben das Heft in der Hand. Bitte zögern Sie nicht. Schlagen Sie eine neue Seite auf, schreiben Sie „2019“ darüber, und fangen Sie an.
Gute Reise nach Rom und herzliche Grüße an Papst Franziskus

Johannes zu Eltz, Frankfurt
Gaby Hagmans, Frankfurt
Bettina Jarasch, Berlin
Claudia Lücking-Michel, Bonn
Dagmar Mensink, Frankfurt
Klaus Mertes SJ, St. Blasien
Jörg und Ingrid Splett, Offenbach
Ansgar Wucherpfennig SJ, Frankfurt

Der Offene Brief erschien zuerst am 03.02.2019 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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3 Antworten auf Die Hoffnung stirbt nicht – 5. Sonntag im Jahreskreis C

  1. walter sagt:

    manipuliert wird,wer sich manipulieren lässt…

    „wohin soll ich mich wenden …? (GL,145)“ oder :
    die Monster(-Kirchen) fressen ihre Kinder solange diese nicht die Freiheit wählen,
    – die Freiheit vom Gesetz ( Gal 3,13).
    Nichts ist alternativlos ! Gott sei Dank !

  2. Walburga sagt:

    Liebe Birgit, vielen Dank für diese offene Predigt und den Anhang. Ich bin nicht vergewaltigt worden, aber sehr oft von der Amtskirche verletzt. Dass es sich um eine Frage der Macht handelt, erfuhr ich schon früh nach meiner Diakonninenausbildung. Im Rahmen einer Diözesanenkonferrenz mit Kardinal Meißner. Man hatte mich dazu eingeladen. Als man mir das Mikrophon gab, frug der Kardenal mich , warum ich die Weihe wolle. Ich erklärte ihm, was ich von der Diakoninnen-Weihe als einem Sakrament erhoffte, nämlich Stärke durch den Hl Geist, Kooperation mit den Klerikern, Unterstützung bei meiner Arbeit,…Da unterbrach der Kardinal mich und sagte: „Sie wollen nur die Macht!“ Ich brauchte mich nicht wehren, weil viele Priester dem Kardinal widersprachen.

  3. Annette sagt:

    Liebe Birgit,
    wie lange kämpfen wir Frauen nun schon um die uns gebührende Wertschätzung in unserer Kirche. In Diskussionen wurde mir oft entgegegn gehalten: Die Kirche hat einen langen Atem. Ich fürchte, der Atem ist zu einem Sturm geworden, der gleich die ganze Kirche wegwehen kann! Ich hoffe aber immer noch, dass er als heilbringendes Aufstürmen des Heiligen Geistes erkannt wird, der die eingebildete Exklusivität des Zölibats und seine zersetzende Kraft im Blitz zerreißt. Vor dreißig Jahren schon fragte ich einen damaligen noch Weihbischof, kürzlich als Kardinal höchst angesehen verstorben, warum die Frau kein Priester werden kann? Er schaute mich, reichlich frivol, von oben bis unten an und antwortete: Weil Sie eine Frau sind. Der Heilige Geist ist stärker als Arroganz! Herzlichen Dank für die Predigt, Birgit!

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