Für wen halten mich die Leute? – 24. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 8
In jener Zeit
27 ging Jesus mit seinen Jüngern – und Jüngerinnen – in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er sie: Für wen halten mich die Menschen?
28 Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten.
29 Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias!
30 Doch er verbot ihnen, mit jemand über ihn zu sprechen.
31 Dann begann er, sie darüber zu belehren, der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen.
32 Und er redete ganz offen darüber. Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe.
33 Jesus wandte sich um, sah seine Jünger – und Jüngerinnen – an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
34 Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger – und meine Jüngerin – sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.

Autorin:
A. Trautmann Andrea Trautmann, Pastoralreferentin in Böblingen

 
Die Predigt:
Für wen halten mich die Leute?

Liebe Leserin, lieber Leser,
Was sagen eigentlich die Leute? Und sollte man wirklich was auf das Geschwätz der Leute geben? Kann es wirklich sein, dass es für Jesus wichtig ist, was die Leute denken? Über ihn? Okay, die Jünger und Jüngerinnen lernen Jesus erst kennen und überhaupt ist es eine Beispielerzählung für uns. Heute nach 2000 Jahren christlicher Dogmatik ist doch die Beantwortung einfach: Jesus ist der Sohn Gottes, ganz Mensch und ganz Gott.

Für wen halten mich die Leute? Das heutige Evangelium stellt eine Frage, die auch heute noch aktuell ist, und die irritiert. Eine Frage, die nicht eine Sachaussage erwartet, sondern ein Beziehungsangebot ist. Für wen hältst du mich? Wer bin ich bei dir? Kannst du mich sehen, so wie ich bin und meine Wege mitgehen? Eine zutiefst menschliche Frage, die uns Gott in Jesus stellt.

Ich möchte Sie heute mitnehmen in die Zeit Jesu. Wir gehen zurück ins erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung, ins Land Israel, dessen Bevölkerung unter der römischen Besatzung leidet und in die 4 Herrschaftsgebiete der Söhne Herodes des Großen aufgeteilt ist. Jesus zieht mit seinen Jüngern und Jüngerinnen in Galiläa, dem Herrschaftsgebiet von Herodes Antipas, predigend umher. Er fordert die Menschen auf, das Reich Gottes zu suchen und ihm zu folgen. Er heilt Gelähmte und Aussätzige, erweckt Tote zu neuem Leben, predigt vor 5000 Leuten und wirkt Wunder. Erst gestern hat er in Betsaida in Galiläa einen Blinden geheilt. Seine Taten und Worte erregen Aufsehen, auch bei Herodes Antipas. Vor kurzem hat dieser Johannes den Täufer, den Cousin von Jesus, hinrichten lassen. So verlässt Jesus mit seinen Jüngern und Jüngerinnen seine Heimat Galiläa und macht sich auf den Weg nach Jerusalem. Zuerst geht er allerdings mit seinen Jüngerinnen und Jüngern über den Jordan, ins Hoheitsgebiet des Herrschers Philippus, in die Gegend von Cäsarea Philippi auf den Golanhöhen. Auf dem Weg durch die Dörfer unterhält sich Jesus mit seinen Jüngern.

Bei ihm ist Levi, auch Matthäus genannt, der Zöllner. Ihn hat Jesus bei der Arbeit getroffen. Levi saß als Zöllner am Jordan an der Grenze zwischen dem Gebiet von Herodes Antipas und dem Gebiet von dessen Bruder Philippus. Er hat den Wegezoll für die Römer und noch einiges nebenbei eingezogen, als Jesus ihm begegnete. Diese Begegnung verändert alles. Levi lässt seine Arbeit stehen und liegen und gibt seinem Leben eine ganz neue Richtung. Er, der von der Gesellschaft wegen seines Berufs diskriminiert wird, lädt Jesus zum Essen ein und Jesus kommt, obwohl die Leute reden. Und Jesus setzt damit ein Zeichen: Gott liegen die Menschen am Herzen, die ausgegrenzt werden. Und Levi nimmt dieses Angebot an.

Bei ihm ist auch Simon Petrus, der Fels. Er war einer der ersten die Jesus nachgefolgt sind. Er hat sein Fischerboot, seine Familie und seine Heimat verlassen, als Jesus ihn in seine Nachfolge gerufen hat. Ihm wird langsam klar, dass Jesus für ihn der Messias ist, der Retter, den Gott geschickt hat, um den Menschen und der Welt Heil zu bringen. Doch seine Beziehung mit Jesus ist nicht einfach. Eher ein Auf und Ab. Er nimmt Jesus beiseite und macht ihm einen Vorschlag. Eigentlich eine nette Geste. Für wen hält er Jesus, als dieser ihn vor allen Leuten zurechtweist und ihm sagt, dass er nicht die Sache Gottes, sondern die Sache der Menschen will? Vermutlich ist Petrus erschrocken, denn das wollte er sicher nicht erreichen. Vielleicht grübelt er auch über die Reaktion von Jesus nach. Zieht sich beleidigt in sein Schneckenhaus zurück? So hat er sich den Messias sicher nicht vorgestellt. Und doch folgt er Jesus durch alle Höhen und Tiefen, sogar auf dem schwierigen Weg nach Jerusalem.

In Cäsarea Philippi, der kaiserlichen Stadt des Herrschers Philippus, am Fuß des Hermongebirges, spricht Jesus zu einer Volksmenge. In der Volksmenge sind jüdische und nichtjüdische Menschen, Frauen und Männer, Alte und Junge. Und Jesus ruft sie zu sich und erklärt ihnen, was es bedeutet, ihm nachzufolgen. Jesus ruft alle in seine Nachfolge, doch es ist wichtig zu wissen, dass dies kein leichter Weg ist. Es müssen Dinge zurückgelassen werden. Vieles wird eingefordert werden, vieles geht verloren an Dingen, an Menschen, an Illusionen. Und doch geht es um Rettung und Heil.

In der Nachfolge Jesu geht es nicht um die Frage des richtigen Status oder des richtigen Geschlechts oder der Zugehörigkeit zur richtigen Gruppe. Es geht auch nicht um die richtige Antwort und um fehlerfreies Verhalten. Was zählt ist Beziehung und Vertrauen, dranbleiben auch in schwierigen Zeiten. Und weil Jesus, weil Gott mit uns Beziehung will, ist es ihm wichtig, was wir denken. Nicht, dass wir das Richtige denken, sondern für wen wir ihn halten, welchen Platz wir ihm einräumen im Leben, und dass wir unsere Bereitschaft, ihm zu folgen immer wieder erneuern und unser Vertrauen stärken. Weil wir für Gott etwas Besonders sind, weil wir Gott nicht egal sind und weil durch alle Wege und Zeiten hindurch Gott unser Heil will. Damals und heute. Gestern und morgen. Amen.

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