Jesus Christus in Wort und Tat bezeugen – 15. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 6
7 In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben,
8 und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel,
9 kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.
10 Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst.
11 Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie.
12 Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf.
13 Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindeseelsorge, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Jesus Christus in Wort und Tat bezeugen

Liebe Leserin, lieber Leser,
aus den östlichen Bundesländern stammt der Spruch: „Ich bin nicht religiös, ich bin normal.“ 75 Prozent der Bevölkerung gehören dort keiner christlichen Konfession an. Im Westen dagegen haben die Kirchen – noch – 70 Prozent Mitglieder. „Ich bin normal“ heißt in diesem Zusammenhang in meinen Ohren: Ich gehöre keiner Kirche an. Ich lebe mein Leben in Familie, Beruf, Freizeit, Hobby, Sport und Urlaub so gut es geht. Für die Krisenzeiten sind die Fachleute da, die mir weiterhelfen. Die anderen machen sich tausend Gedanken über Dinge, die man nicht wissen kann. Ob es Gott gibt? Kann sein – kann auch nicht sein, wahrscheinlich eher nicht. Was soll´s. Und dann die Gewalt im Namen der Religion. Nein, ich habe genug mit meinem Leben zu tun, einfach das Normale eben.

„Ich bin normal.“ Ganz sicher gibt es unter diesem Etikett sehr, sehr viele Menschen, die der bekannte Theologe Karl Rahner als „anonyme Christen“ bezeichnet hätte. Er hat damit jene gemeint, die ohne Worte und ohne sich oft selber darüber im Klaren zu sein, Nächstenliebe und sogar Feindesliebe praktizieren, hilfsbereit, leidensbereit der Liebe wegen, achtsam im Umgang miteinander, Naturschützer, engagiert für Ausländer und Flüchtlinge, für gute Projekte usw., Menschen, die unbewusst aus der heiligen Geistkraft leben. Sicher haben auch Sie viele Bekannte und Freunde, wahrscheinlich auch Verwandte, auf die diese Beschreibung zutrifft.

Auch sie wären nicht, wie sie sind – und wir, die anderen, die zum Glauben an Christus gefunden haben, so angefochten und klein er auch oft ist, – wären nicht, was wir sind, hätten nicht die Jüngerinnen und Jünger um Jesus und von da an getaufte und gerufene Menschen bis heute die gute Nachricht von Jesus im Sinne des heutigen Evangeliums weitergetragen. Vielleicht ist der größte Unterschied zwischen uns und den sogenannten „Normalen“, dass wir wissen, wem wir täglich für die Schönheit, die Gnade und Begleitung in unserem Leben zu danken haben. Die oft zitierten „christlichen Werte“ sind im Abendland Kulturgut geworden; ein Gut aber, das man nicht einfach im Tresor aufbewahren kann, das vielmehr immer wieder auf´s Neue erarbeitet und praktiziert werden muss.

Jesus ruft Menschen zu sich her und sendet sie dann aus. Sendung heißt auf lateinisch Missio. Also hören wir heute von den ersten Missionaren, denen wir letztlich unseren Glauben verdanken. Ohne sie hätte das Kommen Jesu keine Wirkung entfalten können. Dass es der engere Kreis der Zwölf ist, von dem der Markusevangelist spricht, zeigt uns, dass Jesus zu seinen Lebzeiten die Wiedererrichtung des Reiches Israel mit seinen zwölf Stämmen im bald hereinbrechenden Reich Gottes erwartete. Deshalb haben die Zwölf, die ersten Apostel, eine so herausgehobene Stellung. Und es ist auch völlig klar, dass damals nur Männer als Anführer des erhofften neuen Volkes infrage kamen.

In der Gemeinde des Markusevangelisten dagegen stellt sich die Lage schon anders dar. Aufstände überall, Jerusalem ist bedroht und wird im Jahr 70 von den Römern dem Erdboden gleichgemacht, der Tempel bis auf die Westmauer, die sogenannte Klagemauer, zerstört. Zerstört damit auch der Traum von der baldigen Wiederkunft Christi und der erhofften Endzeit. Jetzt kommt die Zeit der Kirche, die nur dadurch überleben und sich ausbreiten kann, dass Frauen und Männer die Botschaft Jesu weitertragen: Und die lautet. Kehrt um zu einem Leben nach der Weisung Gottes. Treibt die Dämonen eurer Zeit aus und heilt die Kranken. Jetzt, nach den vielen Begegnungen mit dem auferweckten Christus, kommt als Wichtigstes hinzu: Glaubt an den Messias, Christus, der mit euch auf dem Weg ist. Denkt daran, dass er euch mit seiner heiligen Geistkraft erfüllt. Lebt und schöpft immer wieder neu aus dieser Kraft.

Offenbar ist es von Bedeutung, wie sich die Boten verhalten. Was sie vertreten lässt sich nicht vom Stil ihres Auftretens ablösen. Oder andersherum, wenn sie sich nicht angemessen verhalten, wird auch der Inhalt der Botschaft beschädigt.
Also, worauf kommt es an? Wir bedenken:
– Geht zu zweit! Könnte heißen: Ein Kopf, ein Herz, ein Mut allein wäre überfordert. Sucht euch also Gefährten!
– Nehmt nichts mit außer einem Wanderstab. Mit irgendetwas müsst ihr euch ja gegen die Gefahren – hier durch wilde Tiere – verteidigen. Setzt euch also keiner unnötigen Gefahr aus.
– Klopft an die Türen und nehmt an, was angeboten wird an Essen und Trinken, an einem Lager für die Nacht. Mit anderen Worten: Teilt das Leben der Menschen, denen ihr etwas sagen wollt. Lasst euch zuerst einmal darauf ein, wie sie leben, wie sie denken, welche Fragen sie haben. Erst dann könnt ihr so reden, dass die Leute es verstehen. Papst Franziskus sagt es im Bild: wer Hirte sein will, muss den Geruch der Schafe an sich haben.
– Nehmt kein Geld mit und lasst euch keines geben. Sonst seid ihr auf die Angebote der Menschen, zu denen ihr kommt, nicht mehr angewiesen. Ihr könntet euch ja kaufen, was nötig ist. Habt also Acht, ihr angestellten und verbeamteten Missionarinnen und Missionare. Die Gefahr ist groß, dass ihr von oben herunter, über die Menschen hinweg und an ihnen vorbei redet. Und bildet euch nicht ein, dass es eure große Intelligenz oder Begabung ist, die überzeugt. Ihr könnt nur wirken, wenn ihr aus der Geistkraft handelt, die Jesus euch schenkt.
– Wer euch nicht aufmacht und euch nicht hören will, den lasst in Ruhe. Die Zeit ist in diesem Fall noch nicht gekommen und wird – Gott allein weiß es – vielleicht auch niemals kommen. Habt Respekt, noch besser Hochachtung vor der Einstellung des Anderen.
– Und zum guten Schluss: Lasst euren Worten Taten folgen! Auch darin ist uns Papst Franziskus ein klares Vorbild.

Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie. Ich möchte dazu an eine große Frau der Kirche erinnern, an die heilige Hildegard von Bingen, die im 12. Jahrhundert gelebt hat (1098 – 1179). Von ihr ist glaubhaft eine „Dämonenaustreibung“ überliefert. Es ist die Geschichte der adeligen Frau Sigewiza, die an einer psychotischen Persönlichkeitsspaltung litt. Überall im Rheingau erschien sie in Gottesdiensten und wurde dort von einem Lästerzwang überfallen, besonders während der heiligsten Handlungen. Sie schrie unflätig herum, tobte und brachte alles in Aufruhr. Wie es zu dieser Zeit üblich war, wurden Teufelsaustreibungen, Exorzismen, an ihr versucht, aber ohne Erfolg. Sie verlangte dringend, von Hildegard in ihr Kloster aufgenommen zu werden und verhöhnte sie zugleich als „Schrumpelgardis“. Hildegard, erfüllt von der Überzeugung, dass Gottes überströmende Liebe auch die abgrundtiefste Dunkelheit umfängt, stellte sich zusammen mit ihren Mitschwestern dieser Aufgabe. Sie ertrugen das Lärmen, Toben und Demolieren der Kranken und nahmen sie in ihren benediktinischen Alltag des Betens und Arbeitens mit hinein. Mit Fasten, als Zeichen der Ernsthaftigkeit, und Beten flehten sie um Heilung für die arme Frau. Und tatsächlich, ganz allmählich begann sie sich zu erholen. Während der Taufwasserweihe der Osternacht brach Frau Sigewiza nach einem letzten Anfall ohnmächtig zusammen und blieb, von da an geheilt, Mitglied der klösterlichen Gemeinschaft. Dieses Ereignis erregte überall großes Aufsehen. Hildegard aber warf die Erschöpfung auf ein langes Krankenlager.

Sich einem bedürftigen Menschen mit ganzem Einsatz zuwenden und alle Kraft dafür von Christus erbitten, nicht mit den eigenen Ideen und Vorlieben daherkommen, sondern in großer Offenheit auf Menschen eingehen, zu verstehen versuchen, hören, was sie brauchen, das ist auch heute noch überall auf der Welt der „erfolgreichste“ Weg christlicher Mission. Er fängt in meiner eigenen Familie an – schwer genug – und reicht bis zur Unterstützung der Katechisten in den armen Ländern. Jesus Christus allein kann uns Menschen die Kraft und damit die Vollmacht dazu geben. Was macht es da aus, nicht richtig zu den „Normalen“ zu gehören?

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Eine Antwort auf Jesus Christus in Wort und Tat bezeugen – 15. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Walter sagt:

    …nicht normal…
    wie modern doch Markus schreibt- friedensbewegt,ökologisch,philosophisch-stoisch:
    modern eben, aber nicht „normal“.Wie der Christus .
    Wie der Christ heute-: nicht normal ,aber so modern wie vor 2000 Jahren !

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