Maria Magdalena ermutigt uns, „trotz allem“ Christus zu bezeugen – Zum Festtag der Hl. Maria Magdalena am 22. Juli

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 20
Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache
1 Am ersten Tag nach dem Sabbat kam Maria aus Magdala früh, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie weinte, beugte sie sich in das Grab hinein
12 und sah zwei Engel in weißen Kleidern dasitzen, einer am Kopf und einer an den Füßen, wo der Körper Jesu gelegen hatte.
13 Sie sagten zu ihr: “Frau, warum weinst du?” Sie sagte zu ihnen: “Sie haben meinen Rabbi fortgenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben.”
14 Als sie dies gesagt hatte, drehte sie sich um und sah Jesus dastehen, aber sie wusste nicht, dass es Jesus war.
15 Jesus sagte zu ihr: “Frau, warum weinst du, wen suchst du?” Sie dachte, dass er der Gärtner wäre, und sagte zu ihm: “Herr, wenn du ihn weggetragen hast, sage mir, wo du ihn hingebracht hast, und ich werde ihn holen.”
16 Jesus sagte zu ihr: “Maria!” Sie wandte sich um und sagte zu ihm auf hebräisch: “Rabbuni!” – das heißt Lehrer.
17 Jesus sagte zu ihr: “Halte mich nicht fest, denn ich bin noch nicht zu Gott, meinem Ursprung, aufgestiegen. Geh aber zu meinen Geschwistern und sage ihnen: Ich steige auf zu meinem Gott und eurem Gott, zu Gott, die mich und euch erwählt hat.”
18 Maria aus Magdala kam und verkündete den Jüngerinnen und Jüngern: “Ich habe Jesus den Lebendigen gesehen.” Und dies hat er ihr gesagt.

Autorin:
IMG_8551Elisabeth Dörrer-Bernhardt,Pastoralreferentin in Stuttgart- Vaihingen, verheiratet, drei Kinder

 
Die Predigt:
Maria Magdalena ermutigt uns, „trotz allem“ Christus zu bezeugen

Liebe Leserin , lieber Leser,
in zwei Tagen feiern wir den Festtag der Maria Magdalena. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie den Namen Maria Magdalena hören? Die Auferstehungszeugin? Vielleicht der einen oder anderen auch eine Jüngerin Jesu, eine der Frauen, die mit ihm gezogen sind und ihn mit Geld unterstützten. Manche denken vielleicht, das war seine Geliebte, so wie es manche Bücher und Filme, wie „Der Da Vinci Code“ suggerieren. Vielleicht assoziieren Sie mit ihr auch die Prostituierte, die von Jesus bekehrt wird, eine reumütige Sünderin und Büßerin – oder ist Maria Magdalena, die Maria, die mit Martha und Lazarus zusammen wohnt? Vielleicht fallen Ihnen Kirchenfenster und Bilder ein, die Sie auf einer Reise in Südfrankreich gesehen haben: Maria Magdalena, eine Jüngerin Jesu, die den Auferstandenen in Südfrankreich bezeugt? Es gibt neben Maria, der Mutter Gottes, keine andere Frauengestalt der Bibel, über die so viel geschrieben worden ist, wie über Maria Magdalena.

Und wer ist sie nun wirklich?
Die früheste Erwähnung von Maria Magdalena ist im Lukasevangelium, das uns berichtet, dass außer den zwölf Jüngern auch einige Frauen Jesus begleitet haben. Maria Magdalena, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte, wird hier namentlich genannt. (Lukasevangelium, Kapitel 8). Maria Magdalena war also eine kranke Frau. Die Zahl „sieben“ deutet auf eine schwere, langwierige Erkrankung hin, die sie wahrscheinlich schon lange hatte und die auch nicht so schnell verschwand. Man vermutet aufgrund der genannten „Dämonen“, dass es eine Gemütskrankheit, evtl. Depressionen waren. Wir erfahren auch noch bei Lukas, dass die Frauen um Jesus ihn unterstützten mit allem was sie besaßen. Maria Magdalena war eine wohlhabende Frau ohne Mann, denn sonst würde sie nach ihrem Mann benannt, wie z.B: Johanna die Frau des Chuza(Lukas 8,2), die auch in der Aufzählung genannt wird. Maria aber wird nach dem Ort benannt aus dem sie stammt, Magdala, eine kleine wohlhabende Stadt am See Genesareth.

Alle vier Evangelien berichten, dass sie mit anderen Frauen das leere Grab mit wohlriechenden Ölen aufsucht. Die Evangelisten Markus, Matthäus und Johannes berichten, dass sie die erste ist, die eine direkte Begegnung mit dem Auferstandenen hat, bei Lukas werden die Frauen insgesamt genannt, denen der Auferstandene als erstes begegnet. Wenn Maria Magdalena genannt wird, dann immer als erste in der Rangfolge der Frauen. Sie muss so etwas, wie eine Führungsrolle unter den Frauen inne gehabt haben. Das Johannesevangelium schildert am ausführlichsten die Begegnung mit dem Auferstandenen. Sie wird von Jesus beim Namen gerufen und erkennt ihn daran als ihren Rabbi. Beim Namen genannt zu werden, bedeutet zu den Vertrauten zu den „Seinen“, wie die Bibel sagt, zu Jesus zu gehören. „Ich habe den Herrn gesehen“(Joh 20,18) bezeugt sie vor den Jüngern. Der Kirchenlehrer Augustinus sagt aufgrund der biblischen Überlieferung der Maria Magdalena als Auferstehungszeugin über sie: „Der Hl. Geist machte Maria Magdalena zur Apostolin der Apostel.“ Nach diesem Auferstehungszeugnis wird sie in der Bibel nirgends mehr namentlich erwähnt. Wir erfahren nur noch einmal in der Apostelgeschichte, dass die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu zusammen mit „den Frauen“(Apg 1,14) einmütig im Gebet in Jerusalem im Obergemach verharrten. Bis das Pfingstereignis sie in aller Welt Jesus den Auferstandenen verkünden ließ. Das ist das biblische Zeugnis der Maria Magdalena.

Woher kommen dann aber unsere in zahlreichen Gemälden festgehaltenen Assoziationen der verführerisch schönen Sünderin oder der predigenden Maria Magdalena in Frankreich? Maria ist weltweit ein beliebter Frauenname bis heute. Und das war auch zu biblischen Zeiten so. Deshalb begegnen uns auch viele Marien in der Bibel. In der Traditionsgeschichte um Maria Magdalena geschieht es nun, dass verschiedene biblische Mariengeschichten mit der bekannten Maria von Magdala verknüpft werden, und so passiert es, dass Maria von Betanien plötzlich mit ihr gleichgesetzt wird. Dann war den Menschen immer schon unerklärlich und mysteriös, dass Maria von Magdala von sieben Dämonen geheilt wurde. Was waren diese Dämonen? Da gibt es doch im siebten Kapitel im Lukasevangelium die Geschichte einer Sünderin, die, als Jesus bei einem Pharisäer zu Gast ist, hereinkommt und ihm die Füße salbt. Eine nicht namentlich genannte Prostituierte salbt Jesus die Füße und Jesus vergibt ihr ihre Sünden. Im achten Kapitel erzählt Lukas dann, dass Frauen Jesus nachfolgen unter anderem und an erster Stelle nennt er Maria Magdalena aus der er sieben Dämonen austrieb. Aus der unbekannten Frau, der Sünderin wurde im Laufe der Zeit Maria Magdalena, obwohl das die Bibel nicht bezeugt. So entstand das Bild, der reumütigen Maria Magdalena, der ehemaligen Prostituierten, die ihre Sünden bereut und mit Jesus durchs Land zieht. Zahlreiche Kirchen in Südfrankreich und auch die bekannte Franziskuskirche in Assisi bezeugen durch Bilder, Kirchenfenster oder Skulpturen, dass Maria Magdalena nach dem Tod Jesu in Südfrankreich wirkte. Biblisch ist davon nichts bezeugt. Aber unzählige Legenden , vor allem im 11./12. Jahrhundert erzählen davon, dass sie aus Palästina vertrieben mit ihrem geistlichen Oberhaupt Maximin in die Provence kam und dort predigte und taufte. Was davon wirklich so war, kann nicht gesagt werden. Es zeigt uns auf jeden Fall, dass sie in Südfrankreich sehr verehrt wurde und ein Vorbild für die Gläubigen war.

Umso bedeutsamer ist aber, was uns Maria Magdalena heute noch für Impulse geben kann. Da sehen wir zunächst eine Frau, die von einer Unzahl von Krankheiten geplagt wird, sieben Dämonen plagen sie. Aber sie wird davon ganzheitlich geheilt. Wie viele Frauen und Männer leiden auch heute unter negativen Erlebnissen, Depressionen, ja Traumatisierungen jetzt ganz aktuell durch Flucht aus der Heimat, aber auch im alltäglichen Leben durch Gewalt- und Verlusterfahrungen? Ganzheitliche Heilung erfahren aber nur wenige. Manche kann jedoch die Zuwendung anderer und die Kraft des Glaubens in solchen Situationen stärken. Jesus schenkt uns seine Zuwendung. Bei ihm dürfen wir unsere Belastungen, all unsere negativen Erlebnisse und Sorgen immer wieder abladen, ihm übergeben.

Maria zieht mit Jesus umher, sie unterstützt ihn finanziell. Sie findet Gehör, sie muss eine Leitfigur für die anderen gewesen sein, wahrscheinlich war sie eine tief gläubige, gut redende, gebildete Frau, sie hat Eindruck hinterlassen, sonst würde sie nicht immer als erste erwähnt werden. Maria kann uns Mut machen, dass auch wir mit Jesus „umherziehen“. Wenn wir immer wieder zu der Quelle unseres Glaubens finden, dann wird uns diese Quelle auch Kraft geben können, kraft Jesu Botschaft zu leben und mit ihm durchs Leben zu ziehen. Dann entdecken wir seine Spur mitten im Alltag. Nicht jede von uns ist zur Leitfigur geboren, das muss auch nicht sein, aber wir können uns daran freuen, dass Frauen, wie Männer verschiedenste Begabungen haben und wir uns durch sie bereichern lassen können. Unsere eigenen Begabungen nicht verschütten zu lassen, sondern sie zu leben, das ist die zweite Botschaft der Maria Magdalena.

Eine dritte und eigentlich die große der Botschaft der Maria Magdalena aber ist, dass sie es durch ihr Vertrauen in Jesus schafft, sich nicht nur von der Dunkelheit der eigenen Krankheit, sondern auch von der Dunkelheit des Todes abzuwenden. Maria wendet sich weg von der Todesgruft, von der Dunkelheit. Jesus spricht sie mit ihrem Namen an. In diesem Moment begreift sie, dass Jesus lebt. Es ist die zweite existenzielle Wende in ihrem Leben. Zuerst die Abwendung von der Krankheit und jetzt ermöglicht Jesus es ihr zum zweiten Mal, sich von der Dunkelheit abzuwenden und dem Licht der Hoffnung zu trauen. Sie wird zur ersten Auferstehungszeugin und verkündet den noch eingeschlossenen Jüngern die Auferstehung Jesu. Die Dunkelheit in unserem eigenen Leben zu besiegen, das ist nicht nur die Lebensaufgabe der Maria Magdalena, das ist auch unser aller Lebensaufgabe. Trotz aller Einschränkungen, die wir vielleicht in unserem Leben verspüren, trotz aller Verlusterfahrungen, dem Leben zu trauen, das lehrt uns Maria Magdalena.Geh und verkünde“ sagt Jesus zu ihr. Diese Sendung an eine Frau haben wir in unserer Predigtseite als Titelseite aufgenommen. Jesus ermutigt uns alle, unseren Glaubenserfahrungen zu trauen und so selbst zu Auferstehungszeuginnen und -zeugen zu werden. Amen

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten auf Maria Magdalena ermutigt uns, „trotz allem“ Christus zu bezeugen – Zum Festtag der Hl. Maria Magdalena am 22. Juli

  1. Birgit Droesser sagt:

    Ich bin sehr dankbar für diese Predigt. Heute sollte eigentlich ein Festtag in der Kirche sein. Denn Maria von Magdala sollte auf gleicher Ebene mit Petrus und Paulus stehen. Die Aussagen dieser Predigt sind inzwischen offiziell bekannt und anerkannt. So schreibt die Monatszeitschrift „Magnificat“ zum heutigen Tag:
    Biblisch ist mehrfach bezeugt, dass der Auferstandene ihr (Maria Magdalena) als Erstzeugin der Auferstehung den Auftrag erteilte, den Jüngern diese Botschaft zu bringen. Deshalb gaben ihr die Kirchenväter den Ehrentitel „apostola apostolorum“, die „Apostelin der Apostel“ … Wir Frauen müssen dafür eintreten, dass Maria von Magdala endlich die ihr zustehende Bedeutung erhält. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie die nicht genug zu bestaunende Frauenfreundlichkeit Jesu vom Frauenhass der patriarchalen Gesellschaft in der Antike, und dann weiter bis in unsere Zeit, aufgesogen und vernichtet wurde. Deshalb ist es eine nicht nachvollziehbare Argumentation, wenn gesagt wird, die Kirche könne keine Frauen zu den Weiheämtern zulassen, weil sie nicht berechtigt sei, sich über die Praxis Jesu hinwegzusetzen. Und der habe nur Männer zu Aposteln berufen.

    Maria von Magdala gilt es wieder zu entdecken und mit ihr, trotz aller Einschränkungen, dem Leben zu trauen, wie es in der Predigt heißt.

    • Kähny sagt:

      Vielleicht entsprechen die „Weiheämter“ garnicht der Absicht des CHRISTUS –
      -zu sehen an SEINER damaligen Theokratie-Kritik: „…Nattern-und Otterngezücht..!“.

      Abgehobenes klerikales Machtgehabe (ob männlich oder/und weiblich…) zusammen mit zuviel Geld desavouieren SEINE „Frohe Botschaft“ .
      500 Jahre nach der augustinisch-lutherischen Reformation sind ernste Konsequenzen und nicht Kurpfuscherei gefordert:

      Keinesfalls dürfen die Frauen u n d Männer in der frühen Christusnachfolge zur Rechtfertigung des zeitgenössischen Klerikalismus herangezogen werden.

  2. Annemarie Gindele sagt:

    Danke für die tolle Predigt, die ganz in meinem Sinne ist. Ich lebe und arbeite in einer Gemeinde St. Maria Magdalena mit einem berühmten Magdalenen-altar aus dem 15. Jahrhundert, wo die genannte „Vermengung“ verschiedener „Marienfiguren“ sehr deutlich dargestellt ist. Der komplexe Verschmelzungsprozess von verschiedenen Frauengestalten ereignete sich Schritt für Schritt. An seinem Ende stand die Festschreibung der Einheit dieser unterschiedlichen Frauengestalten durch Papst Gregor d. Großen, der im Jahr 591 in seinen Magdalenenhomilien verordnete, dass Maria von Magdala, Maria von Betanien und die salbende Sünderin ein und dieselbe Person seien. Mit dieser Magdalenengestalt vermischte sich zu guter Letzt noch eine weitere: diejenige der Maria von Ägypten, nach der Legende eine ehemalige Prostituierte, die nach ihrer Bekehrung fast vierzig Jahre lang als Büßerin in der Wüste gelebt habe. Als Büßerinnengewand habe sie angeblich nur ihre Haare getragen und sei von Engeln ernährt worden. Diese Elemente finden sich auch in vielen biblischen mittelalterlichen Magdalenendarstellungen, so auch auf unserem berühmten Tiefenbronner Magdalenenaltar. Tatsache ist: Die Legende der Maria von Ägypten wurde einfach ihrer Namensschwester Maria Magdalena übergestülpt. Das Verhängnis nahm seinen Lauf: Nicht mehr Apostolin der Apostel wurde sie genannt, sondern nur noch verehrt als bekehrte Sünderin, Patronin der gefallenen Mädchen, der Kamm-Macher und Parfümmacher und weitere „anrüchige“ Geschichten. Bleibt die Frage, wer aus welchen Gründen Interesse an der Ausformung solcher Marienfiguren hatte, die in stets neuem Gewand durch die Jahrhunderte promenieren. Auch in bin der Meinung, dass es höchste Zeit ist, den Festtag der Hl. Maria Magdalena am 22. Juli als Hochfest zu begehen, ähnlich wie das Hochfest Petrus und Paulus. Das wäre für unsere heutige Zeit ein sehr wichtiges Zeichen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 2 = 2

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>