Wenn Gott sich sehen lässt, erscheint alles in einem neuen Licht – 3. Sonntag der Osterzeit B

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 24
35 Die beiden Jünger, die von Emmaus zurückgekehrt waren, erzählten den Elf und den anderen – Jüngerinnen und – Jüngern was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.
36 Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
37 Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen.
38 Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen?
39 Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.
40 Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße.
41 Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben. Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier?
42 Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch;
43 er nahm es und aß es vor ihren Augen.
44 Dann sprach er zu ihnen: Das sind die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich gesagt ist.
45 Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift.
46 Er sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen,
47 und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden.
48 Ihr seid Zeugen dafür.

Autorin:
Dr. Ulrike Altlherr Dr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte – Kolumban in Wendlingen mit Oberboihingen und Köngen mit Unterensingen, verheiratet, eine Tochter

 
Die Predigt:
Wenn Gott sich sehen lässt, erscheint alles in einem neuen Licht

Liebe Leserin. lieber Leser,
kennen sie das auch: dieselbe Stadt, dieselbe Landschaft sieht völlig anders aus, ob Sie sie an einem dunklen trüben Regentag anschauen oder im schönsten Sonnenlicht.
In einer Zeit der Trauer sieht alles dunkel aus. Tritt durch eine neues Ereignis, einen wichtigen Menschen Sonnenlicht ins Leben, sieht dasselbe Leben gleich anders aus.
Für mich ist unser heutiges Evangelium auch eine Geschichte darüber wie die Jüngerinnen und Jünger Jesus und alles in einem neuen hellen Licht sehen.
Sie haben das Dunkel des Todes Jesu erlebt. Mit ihm schienen alle Hoffnungen gestorben. Denn der Tod trennt radikal. Er trennt Verstorbene und Lebende. Aus, vorbei. Keine Begegnung ist mehr möglich. Es gibt hüben und drüben. Es ist noch keiner zurückgekommen, sagen manche.
Doch einer. Jesus.

Vor unserer Erzählung steht im Lukasevangelium die Emmausgeschichte, die Geschichte, von dem, der mit den todtraurigen Jüngern mitging, ihnen den Sinn der Schrift erschloss, und den sie schließlich am Brotbrechen erkannten.
Das Lukasevangelium belässt es nicht bei der Begegnung Jesu mit den beiden Jüngern, sondern erzählt auch, wie er plötzlich da war und sich sehen ließ. Diese Erzählung ist an der johanneischen Geschichte vom zweifelnden Thomas orientiert.
Auch hier bei Lukas ist es eine Geschichte vom Zweifel zum Glauben, vom Tod zum Leben.
Die Trennung zwischen Leben und Tod wird aufgehoben und nicht von der Seite der Jünger her, sondern von Gott her. In Jesus läßt sich Gott – wieder – sehen. Er kommt mit dem Friedensgruß zu den JüngerInnen. Furcht und Erschrecken sind bei ihnen die Folge. Von diesem Erschrecken im Zusammenhang mit einer Gottesbegegnung ist unsere Bibel voll.
Auch Zweifel ist in ihren Köpfen und Herzen.
„Ist das wirklich wahr?“. Das haben Menschen immer wieder gefragt.

So auch die Menschen um den Autor des Lukasevangeliums. Deshalb erzählt er eine Erscheinungsgeschichte des Auferstandenen, wie er in ihre Mitte trat. „Ist das nicht vielleicht bloß ein Geist?“, mögen sich Menschen damals gefragt haben. Nein es ist nicht nur ein Geist, es ist wirklich geschehen, er ist es wirklich, sagt das Evangelium. Dann kommen Beweise. „V 39 Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. V 40 Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße.“
Während im Johannesevangelium Thomas die Hände und Füße Jesu sehen und berühren wollte, bietet im Lukasevangelium Jesus selbst dies an. Die Versammelten dürfen ihn sehen und anfassen, mit allen Sinnen sich überzeugen. Und für diejenigen, denen auch das noch nicht genügte, hatte er einen weiteren Beweis: „V 41… er sagte zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? 42 Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; 43 er nahm es und aß es vor ihren Augen.“Wenn wir das alles nur wörtlich nehmen würden, wäre der Auferstandene so etwas wie ein Zombie. Lukas betont die Leiblichkeit so sehr, wohl in der Absicht, denen, die sagten, Jesus sei gar nicht wirklich gestorben und auferstanden, entgegen zu halten: doch die Sache hat Hand und Fuß.

Es ist wirklich Jesus, der von Gott auferweckt wurde.
Vermutlich geht es uns ähnlich wie den Menschen zur Zeit des Lukas. Auch wir können uns schlecht vorstellen, wie das mit der Auferstehung ist.
„Vielleicht ist er ja doch nicht echt auferstanden, vielleicht haben sich die Jünger das ja alles eingebildet, das geht doch eigentlich nicht.“ So denken wir vielleicht ja auch.
Aber wenn wir unser Leben und Sterben darauf bauen wollen, dass er wirklich auferstanden ist, muss es „echt“ passiert sein.
Das ist es, was die Erzählung erweisen will.
Das können Menschen nicht von sich aus machen. Gott ergreift die Initiative und lässt sich in Jesus sehen. Das griechische Wort, das hier mit „erschien“ übersetzt ist, müsste genauer heißen „er wurde ihnen gezeigt“ Und wer hat ihn ihnen gezeigt? Gott. Alles geht von Gott aus. Gott überbrückt das absolut Trennende des Todes.

Gott lässt sich sehen und alles, was in den Schriften der Bibel des Alten oder Ersten Testaments steht, in einem anderen Licht erscheinen. Im Grunde läuft alles, was dort geschrieben steht, was dort verheißen wurde, auf Jesus hinaus.
„V45 Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift. 46 Er sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, 47 und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden .“Wieder ist es Gottes Initiative. Er öffnet die Augen, damit die „Schriften“ recht verstanden werden können.

„Verheißung“ und „Erfüllung“ heißen hierzu die theologischen Denkmuster des Lukas.
Jesus ist der, der den Sinn der Schrift, der Verheißungen des ersten oder alten Testaments erfüllt. Er lässt die Jünger und Jüngerinnen neu sehen und neu verstehen und dann Zeugen sein. Hauptinhalt des Zeugnisses ist der Tod und die Auferweckung Jesu. Mit seinem Tod ist das Reich Gottes, die neue Welt Gottes, die Jesus verkündet und gelebt hat, nicht gescheitert, sondern im Gegenteil von Gott durchgesetzt worden. In einem, in Jesus, ist der Tod bereits entmachtet und das Leben hat gesiegt.
Die ersten Zeugen hat diese Erfahrung furchtlos leben und sterben lassen.

Von der Auferstehung wissen wir nur durch Zeugen, wie diesen Jüngern und Jüngerinnen hier im Lukasevangelium. Man muß den Zeugen der Auferstehung glauben können.
Heute wissen wir durch viele Untersuchungen der BibelwissenschaftlerInnen, dass die Evangelien keine historischen Berichte sind, auch wenn manche in unserer Kirche den vermeintlich einfachen Weg gehen, sie fundamentalistisch als historisch verbürgt zu betrachten.
Die Menschen in der Bibel denken anders. Sie schreiben nicht unbedingt das auf, was „stimmt“, sondern das, was sie als „wahr“ erlebt haben. Und sie tun es mit Begriffen, Worten, Denkstrukturen ihrer Zeit, als Antworten auf die Fragen ihrer Zeitgenossen.

Wir sind heute als ÜbersetzerInnen gefragt.
Wir würden es uns zu einfach machen nur zu sagen: „Im Lukasevangelium steht es ja. Jesus ist leibhaftig auferstanden, er hatte Hände und Füße, einen Körper, er brauchte etwas zu essen. Genauso ist es passiert.“ Es ist vermutlich nicht genauso passiert.
Aber es ist wirklich passiert. Jesus ist von Gott auferweckt worden und Jesus lebt wirklich! Er ist kein Geist, keine Schimäre, keine bloße Wunschvorstellung.
Die Botschaft dieser Geschichte ist wahr. Zeuginnen und Zeugen haben sie erlebt!
Sie haben erfahren: Gott lässt sich sehen und seither können Menschen alles in einem anderen, einem österlichen Licht sehen.
Wie wäre es, wenn auch wir das ausprobieren würden, unser Leben aus der Erfahrung zu leben, dass der Tod nicht mehr das letzte Wort hat sondern das Leben.
Wie würde dann Ihr Leben in diesem Licht aussehen und was würde sich da in Ihrem Leben ändern…?
Amen.

Literaturhinweise:
G. Schneider, Das Evangelium nach Lukas. Kapitel 11-24. Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum neuen Testament 3/2, Gütersloh-Würzburg, 2. Auflage 1984, 500-504.
R. Dillmann, C. Mora Paz, Das Lukas-Evangelium. Ein Kommentar für die Praxis, Stuttgart 2000, 427-432.
Auferstehung – leben trotz Tod. Bibel und Kirche 64. Jg., 2. Quartal 2009, hg. Von Bettina Eltrop

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